Am 21. Dezember 2018, dem kürzesten und lichtärmsten Tag des Jahres, starb Heidi Overhage-Baader (1932–2018) 86-jährig. Die Lyrikerin und Malerin aus Basel gehörte zu den ganz Stillen und Sensitiven im Lande. Immer wieder mal nahmen Sprachgestalterinnen ihre Gedichte ins Programm auf.
Noch vor einem Jahr saß sie im Publikum des Großen Saals im Goetheanum. Die Eurythmiebühne unter der Leitung von Margrethe Solstad brachte Gedichte von ihr an der Weihnachtstagung zur Aufführung. In jener Zeit waren auch Bilder von Heidi Overhage-Baader im Goetheanum zu sehen. In der Vorbereitung dieser letzten Feier ihres Werkes zu ihren Lebzeiten wurde sie von den Eurythmistinnen im Altersheim besucht.
Heidi Overhage-Baader hatte Eingebungen, sie wollte sie weitersagen:
Ihre verdichteten Text-Kleinodien scheinen oft von weit, von sehr weit her zu kommen. Doch «dort wo Begegnung geschieht», ist plötzlich Nähe, ist hier und jetzt, und «Lichtjahre vorausgeahnt staunt einer im Auge des Andern» ‹Ich› und ‹Wir› in ihren Sprachgebilden sind selten, wenn überhaupt, persönlich gemeint. Die Lyrikerin schrieb nicht von ihren persönlichen Leiden und Freuden. Wenn sie dichtete, ging sie über sich hinaus, nicht selten zu einem Du. Und dieses Du ist außerhalb des Alltags. Wenn ‹Ich› und ‹Du›, dann ist ‹Du› das ganz Besondere, Hohe, weit Entfernte: lebendiger Stern, Hoffnungsgestirn, Wanderer aus Stille und Stimme, Mutter (Erde), ein Ich auf dem Hinweg zum Du, hörend zwischen dir und mir, «am Dornwebfaden Deiner Sprache». In ihren Gedichten ruft sie uns auf zum Besonderen, zum besonderen Augenblick, zur erhöhten achtsamen Begegnung, zur Feier, zur besonderen Tat – oder zum Innehalten. «Aushalten, dass es so ist, wie es ist / und innehalten zwischen gestern und morgen».
In den Titeln ihrer Gedichtbände sprechen sich ihre bevorzugten Erfahrungsfelder aus: ‹Lauschen und Schauen›, ‹Ohrmuschel und Stimme der Stille›, ‹Unverhofft weht es dich an›, ‹Zwischen den Welten ereignet es sich›. Manche Zeile, manchen Ausdruck empfing Heidi Overhage-Baader beim Eintauchen in die Stille oder auf Nachtwegen beim langsamen Auftauchen aus dem Schlaf, so wenigstens lässt es sich verstehen, wenn sie von Erhörungen schreibt oder von Einflüsterungen «ins Wachohr des Schlafs / wenn das Dunkelauge / mich anschaut». Die sorgfältig von Hand ausgestatteten Gedichtbände wurden von Peter Heman im Selbstverlag herausgegeben.
Nach der Rudolf-Steiner-Schule in Basel und England besuchte sie Kunstschulen in Basel und Genf und in Zürich am C.-G.-Jung-Institut Vorlesungen zur Tiefenpsychologie. Der Kulturhistoriker Dieter Rudloff war ihr ein Lehrerfreund. Seit 1968 unterrichtete sie in ihrem Atelier für bildhaftes Ausdrucksgestalten in Basel, zuerst vor allem Kinder und Jugendliche.
Das Eurythmie-Programm am Goetheanum von 2017 mit ihren Gedichten entstand auf Anregung von Dolores Parolini, einer langjährigen Freundin und Bewunderin, die Stimme und Lebenshaltung von Heidi Overhage-Baader als Lebensbegleiterinnen zu einer zukünftigen Besinnungs- und Begegnungskultur versteht.