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Zuschriften zu: Die Enträumlichung der Welt

Etwa alle 10 Jahre hat sich in den letzten 30 Jahren die mobile Datenübertragung revolutioniert. Mit 2G wurden 1991 SMS-Nachrichten möglich, mit 3G kamen 2001 bewegte Bilder auf dem Handy hinzu, 2010 boten die Betreiber mit 4G ein Meer an Unterhaltung und zentraler Cloud-Speicherung an. Mit 5G ab 2020 folgt die verzögerungsfreie Vernetzung. Die Ausrüster versprechen sich damit Möglichkeiten des mobilen Fahrens sowie der erweiterten Realitätswahrnehmung (augmented reality). Im Artikel ‹Die Enträumlichung der Welt› im ‹Goetheanum› Nr. 3–4 hat Wolfgang Held diese Entwicklung als eigentlichen Eintritt in eine digitalisierte Lebenswelt beschrieben, der – wie häufig beschrieben – disruptiv, also mit plötzlichen Änderungen geschehe.


Jens Göken

Was ich nicht akzeptiere, das ist die Alternativlosigkeit

Mit großer Spannung habe ich im ‹Goetheanum› Wolfgang Helds Beitrag über ‹Die Enträumlichung der Welt› gelesen. Darin beschreibt er, wie der Wandel hin zu einer digitalisierten Kultur auf verschiedensten Lebensgebieten dazu führen wird, dass Raum- und Zeitgrenzen überschritten, ja überwunden werden, weil alles, was vorhanden ist, sofort und an allen Orten gleichzeitig verfügbar ist. Dadurch könnte dann auch der Autoverkehr als ‹ein› Wesen wahrgenommen werden, das so in sich abgestimmt ist, dass es nicht mehr über die eigenen Beine stolpert, sondern koordiniert lebensfähig ist. Die makroskopische Steuerung des Verkehrswesens könnte dann gelingen, und der Mensch wäre der Notwendigkeit von Millionen Wenn-dann-Koordinationen enthoben, weil die digitale Logik alles überblickt und managt.

Es ist ein interessantes Stück Kulturphänomenologie, das Wolfgang Held hier vorlegt, und mir hat auch seine einleitende Erkenntnis sehr gut gefallen, dass neue technische Formen immer erst die alten Formen nachahmen, bevor sie sich dann radikal emanzipieren, wie etwa das Auto vom Pferd, die Glühbirne von der Kerze oder die E-Mail vom Brief: Es ist gut und wichtig, dass wir uns auf solche Weise Rechenschaft ablegen über das, was uns an Welt umgibt. – Was ich indessen nicht verstehen kann, sind manche Konsequenzen, die Wolfgang Held daraus zieht.

So schreibt er: «Das macht die E-Mails auch unpraktisch und zeitraubend, weil sie im Kern gleich funktionieren wie ihre stofflichen Vorfahren: schreiben – senden – lesen, aber durch die höhere Geschwindigkeit nun zu täglich 100 E-Briefen im Postfach führen.» Die Fülle ist ein Problem für sich in heutiger Zeit, aber wie soll es denn anders gehen, wenn nicht durch schreiben – senden – lesen? Der Faktor Senden strebt heute gegen null, das ist das Neue. Aber schreiben muss ich doch wohl weiterhin und gelesen werden muss es auch – Wolfgang Held führt dagegen das permanente Informationsnetz ins Feld, an das wir alle angeschlossen sind und das unsere Termine intelligent aufeinander abstimmt: «Eine Information ist augenblicklich bei allen anderen in Betracht kommenden Stellen verfügbar.» – Ja klar, aber erstens benutze ich E-Mails nicht nur, um Termine zu vereinbaren, und zweitens: Will ich denn im Ernst, dass eine übergeordnete Maschine alle meine heimlichen und unheimlichen Gewohnheiten und Pläne kennt und einbezieht, um sie mit den entsprechenden Intimitäten meiner Terminpartner zu koordinieren und so den für alle perfekten Zeitpunkt zu generieren?

Ich will jetzt nicht darüber sprechen, dass das 5G-Netz verheerende gesundheitliche Auswirkungen hat, wie das ja bereits bei der bestehenden, ungleich harmloseren Mobilfunktechnologie der Fall ist, ohne dass eine angemessene Aufklärung stattfindet. Wolfgang Held weist auf diese Gefahr hin, möchte sie hier aber beiseite lassen. Das ist nicht ganz unproblematisch, aber legitim: Er möchte kulturphilosophisch auf die Sache blicken, ohne gleich in Panik ausbrechen und alle Wenn und Aber mit abhandeln zu müssen. – Aber was ich nicht akzeptieren kann, ist das eine Schlagwort, das uns, obwohl unausgesprochen, aus allen Zeilen seines Textes heraus entgegentönt: Alternativlosigkeit.

Wolfgang Held erwähnt am Ende seines Beitrags den «Forschenden des digitalen Wandels», Georg Hasler. Von Hasler gibt es eine sehr anregende kleine Schrift voller Ideenblitze und zum Teil wohlausgewogener Gedanken, in der er ebenfalls der Qualität des technologischen Wandels, bis in seine sozialen Konsequenzen hinein, nachsinnt: ‹Blütenstaubwirtschaft› (epubli 2015). Eine wertvolle kleine Schrift, aber auch aus ihr tönt es immerfort heraus: alternativlos.

Der große Kulturphänomenologe Jean Gebser, der zwischen 1950 und 1970 freilich noch nicht umfassend auf den Computer eingehen konnte, in seinem Hauptwerk ‹Ursprung und Gegenwart› (1949/53) aber als Ausdruck eines neuen Bewusstseins, welches er das integrale nennt, die Überwindung von Raum und Zeit als zentrales Kriterium herausgearbeitet hat, schreibt dazu: «Im Alltag zwingt die Motorisierung, Maschinisierung, Technisierung den Menschen in quantitativ bedingte Abhängigkeiten, wobei das Unmaß an Freiheitspreisgabe den wenigsten bewusst wird. Maschine, Film, Presse, Radio: Meistens führen sie zu nivellierenden Abhängigkeitsverhältnissen und zu zunehmender Entindividualisierung, also zur Ich-Atomisierung. […] Diese Sucht, die Zeit negativ zu überwinden, wird überall sichtbar. Überall werden die bisherigen zeitlichen Schwellenwerte überschritten; nicht nur durch das Radio, auch durch die Ultraschall-Flugzeuge oder (ein anderes extremes Beispiel) durch die medizinischen Bemühungen, die menschliche Lebensdauer zu verlängern; gerade auch diese Anstrengungen, ins Quantitative zu fliehen, sind aus Zeitangst geborene Zeitflucht, die vordergründig unseren Alltag beherrscht.» (Gesamtausgabe Bd. 3, Freiburg i. Br. 1986, S. 682 f.) – Wie in einem Brennglas finden wir hier unsere Gegenwartswelt in einer schon damals offen sichtbaren Phänomenologie auf den Punkt gebracht, aber Gebser zieht daraus ganz andere Schlüsse als Wolfgang Held. So rekapituliert er im Zusammenhang seiner Geschichtsschau, dass das alte magische Bewusstsein, bevor es vom mythischen abgelöst wurde, sich in inflationären Zauberkulten wie etwa den tibetanischen Gebetsmühlen entleerte, das mythische, als es vom mentalen überhöht wurde, in ein psychisches Chaos in Gestalt unzähliger Dämonen und Ungeheuer zerbarst, während das mentale Denkvermögen, bevor nun das integrale souverän wird, «durch jene Roboterrechenmaschinen, die ‹Computers›, mechanisiert, also entleert und quantifiziert [wird]. Die Gebetsmühlen, die Mythenzersplitterung, die Computer sind Ausdruck des Menschen, der in seiner Bewusstseinsfrequenz verharrt, während die notwendende neue Bewusstseinsmutation die erschöpfte Bewusstseinsstruktur bereits zu überlagern beginnt. Jedes Übermaß an Quantifizierung führt zu Ohnmacht, Leere und Hilflosigkeit. […] So gesehen sind die Computer ein negatives Wahrzeichen der neuen Bewusstseinsstruktur und ihrer Kräfte.» (Ebenda, S. 685)

Wolfgang Held meint, «dass wir Menschen mehr und mehr befreit werden von allem Wenn-dann-Denken, um uns vollständig auf das nichtlineare, das schöpferische Denken richten zu können. Die technische Entsinnlichung der Welt sollte durch ihre Faszination die Befreiung des menschlichen Geistes aus dem Räumlichen – was jede Form schöpferischen Denkens bedeutet – nicht lähmen, sondern ihr Flügel verleihen.» – Jean Gebser sieht dagegen in der technischen Raum- und Zeitüberwindung eine Art Zeitvernichtung am Werk, die uns zu entindividualisieren und abhängig zu machen droht. Beide wollen gewiss im Grunde das gleiche schöpferische, nicht lineare Denken, aber der eine sieht in der Technik einen befreienden Ansporn, der andere das Gegen-Bild, die Schlacke, die zurückbleiben muss und uns zu lähmen droht, während sich das neue, nun schöpferisch-integrale Menschheitsbewusstsein aus noch ‹ganz anderen› Kraftquellen heraus emporentwickelt. – Wie wollen wir uns verständigen? Immerhin geht es hier um die ganz praktische Frage, wie wir mit den unseren Alltag immer mehr beherrschenden Technologien Tag für Tag und bis ins große soziale Geschehen hinein, bis hin zu politischen Entscheidungen, Bürgerprotesten usw., umgehen. Kämpfen wir dagegen an, setzen wir immer wieder Grenzen oder bejahen wir es als unvermeidlich? Suchen wir noch nach Alternativen zur Digitalisierung oder ist sie bereits alternativlos Geschichte als absolute Gegenwartsgleichzeitigkeit, in die wir alle hineinverstrickt sind? – Ein Erkenntnisgespräch, ganz ernsthaft und mit gegenseitigem Respekt zu führen, sei eröffnet!


Michaela Glöckler · Andreas Neider

Die Probleme beim Namen nennen

Der Beitrag von Wolfgang Held zum kommenden 5G-Standard oder dem ‹Fast Internet› eröffnet durch seinen bewusst einseitigen Charakter einen Diskurs, der zu kritischen Kommentaren einlädt. Wir nehmen diese Einladung an in der Hoffnung, das Problembewusstsein gegenüber einer Entwicklung zu stärken, die so schnell hereinbricht, dass man sich schon fast daran gewöhnt hat, zu denken und zu sagen, dass ‹es kommt› und weder durch wissenschaftliche Bedenken noch demokratische Prozesse aufzuhalten bzw. zu modifizieren ist. Wenn Held anmerkt, «hier geht es jetzt nicht um die gesundheitlichen Fragen», oder die Gefahr ausblendet, die durch die innere Halt- und Orientierungslosigkeit hervorgerufen wird, die eintritt, wenn durch zu frühen Kontakt mit der virtuellen Welt der Realitätsbezug zur linearen Zeit und dem analogen Raum schwindet, oder das schon jetzt für viele unerträglich gewordene Gefühl des Gehetztseins im Hier und Jetzt unerwähnt lässt, etc., so ist der Weg frei, das Hohelied des technischen Wandels zu singen.

Dann kann man froh auf die Befreiung blicken, die aller technischen Entwicklung von jeher anhaftet, die den Menschen von zeit- und kraftraubenden Tätigkeiten entlastet, sodass er sich neue Aufgaben für Arbeit und Leben vornehmen kann. Dementsprechend schreibt Held auch treffend von der Hoffnung, dass die technische Enträumlichung der Welt durch 5G und das Internet der Dinge der Befreiung des menschlichen Geistes aus dem Räumlichen «Flügel verleihen möge».

Demgegenüber möchten wir Fragen stellen und Probleme beim Namen nennen mit dem Ziel, zu einer vertieften Debatte zum Thema beizutragen:

• Wer schon als Kind mit dem Internet der Dinge in der volltechnisierten Welt aufwächst, wie kann der sich seiner schöpferischen Freiheit im Denken noch bewusst werden? Denn trotz aller Disponibilität der Möglichkeiten hat man ja nur gelernt, sich in den technisch vorgegebenen Szenarien zu bewegen und darin angepasst und intelligent zu reagieren. Die Schreiber dieses Kommentars sind sich jedenfalls der Tatsache bewusst, dass sie ungestört durch Elektrosmog und zentralnervöse Konditionierung in der Welt der Bildschirme aufgewachsen sind und die Chance hatten, vor dem Eintritt ins mediale Zeitalter denken zu lernen. Wie will man sich der Fähigkeit des nicht linearen, schöpferischen Denkens bedienen, wenn die notwendigen Vorstufen dieser neuen Befähigung nicht durchlebt werden konnten? Wenn kaum Bedingungen da sind, die Spielräume auszuloten, die nur im analogen Zeit/Raum-Kontext für Selbsterfahrung und Eigentätigkeit gegeben sind? Die vom Bündnis Eliant auf den Weg gebrachte Petition versucht dieses Dilemma bewusst zu machen und lädt zur Mitarbeit ein: www.eliant.eu

• Dann suggeriert Held in seinem Beitrag, dass durch die Verringerung der Latenzzeit beim 5G-Internet ein dem räumlichen enthobenes «Miteinander» zustande käme. Ein «Miteinander» unter Menschen entsteht auch durch das derzeit vorhandene Internet und wird durch dessen Beschleunigung keineswegs intensiviert. Im Gegenteil, je mehr der Mensch elektronisch und damit untersinnlich kommuniziert, umso mehr bedarf es als Gegengewicht realer geistiger Begegnungen zwischen Menschen, um ein menschliches Miteinander überhaupt noch zu ermöglichen.

• Große Sorgen bereiten uns auch die von Held ausgeblendeten gesundheitlichen Risiken, die mit der erheblich stärkeren Strahlenbelastung durch die von 5G erzeugte elektromagnetische Strahlung einhergehen. Diese ist wissenschaftlich durch zahlreiche Studien belegt. Sie fördert das Krebsrisiko und schädigt nachweislich das Erbgut. Die Gesellschaft zur Bildekräfteforschung hat deshalb wie viele andere Organisationen auch auf einen internationalen Aufruf gegen die bedenkenlose Einführung des 5G-Standards aufmerksam gemacht, der gegen die Einführung dieser gesundheitsgefährdenden Technologie Protest einlegt (www.5gspaceappeal.org).

• Ferner wird das automatisierte Fahren als ein verkehrstechnischer Fortschritt gepriesen. Das vollautomatisierte Fahren ist jedoch erstens mit erheblichen Sicherheitsrisiken behaftet, die seine Einführung bisher infrage stellen. Zudem stellt es unter ökologischen Gesichtspunkten eine höchst problematische Verdichtung des Verkehrs in allen Ballungszentren dar, anstatt den Automobilverkehr aus den Städten herauszuholen. Dient hier die Technik noch den realen Bedürfnissen der Menschen oder bedienen wir hier primär wirtschaftliche Interessen?

• Dann interessiert uns aber auch, wie sich Wolfgang Held den Prozess vorstellt, dass das Denken durch die Technologie des schnellen Internets aus kausalen Zusammenhängen befreit und zum schöpferischen Denken befähigt werden soll. Technische Errungenschaften – wie Held zu Beginn deutlich macht – werden ja deshalb genutzt, weil sie durch die technische Erleichterung des Lebens mehr Bequemlichkeit ermöglichen. Dass sich aber der Mensch damit auch in eine kausale Abhängigkeit von dieser Technologie begibt, ist evident. Im Hinblick auf ihren Charakter als ‹Unter-Natur› bedeutet dies in spiritueller Hinsicht eine zunehmende Abhängigkeit von Ahriman, dem Geist der Kausalität schlechthin.

• Wieso wird die technische Fähigkeit der Mustererkennung als ein weiterer Fortschritt bezeichnet, ohne die damit verbundenen Probleme zu benennen? Die Möglichkeit der Mustererkennung durch intelligente Kameratechnik führt doch dazu, dass Menschen permanent überwacht werden können. Sie dient primär wirtschaftlichen und politischen Interessen, indem das Verhalten der Menschen genauestens erfasst wird, um es bestmöglich beeinflussen zu können. In China und Indien sind die dadurch möglichen Überwachungstechnologien bereits deutlich die Wegbereiter zunehmend totalitärer Machtstrukturen, weil sie an die Stelle von menschlichem Vertrauen und moralischer Eigenverantwortung die autoritäre Kontrolle setzen. Daran wird deutlich, was Rudolf Steiner betont hat, wenn er über technische Entwicklungen sprach, die kommen werden: dass er hofft, dass die Menschheit zu diesem Zeitpunkt auch die für die Handhabung dieser Technik notwendige moralische Qualifikation entwickelt haben möge. Denn im Hinblick auf das Internet haben wir es de facto mit «einem gefährlich wirkenden Lebensinhalt, der unter die Natur heruntergesunken ist» (Rudolf Steiner, ga 26), zu tun. Sein gefahrloser Gebrauch erfordert eine geistige Entwicklung, durch die der Mensch «mindestens gerade so weit zur außerirdischen Über-Natur aufsteigen muss, wie er in der Technik in die Unter-Natur herunter-gestiegen ist» (Steiner, a.a.O.).

• Hinzu kommt die Tatsache, dass mit der totalen 5G-Vernetzung aller Menschen und Geräte die Menschen selbst als quasi technische Objekte mit einbezogen sind und noch besser steuerbar werden. Das heißt, dass die Berechenbarkeit des Menschen und die Steuerbarkeit seines Handelns im Sinne wirtschaftlicher und politischer Machtausübung machbarer werden. Zusätzlich wird aber mittels der extrem erhöhten Datenmengen eine anonyme, dem Menschen um ein Vielfaches überlegene KI (künstliche Intelligenz) angestrebt, über deren Ziele und Handhabung dann nicht gesellschaftlich und demokratisch zugängliche anonyme Konzernherren und ebenso nicht demokratisch legitimierte Machtpolitiker auch in militärischen Zusammenhängen verfügen werden.

In diesem Sinne wünschen wir uns von der Redaktion einer das Goetheanum in der Öffentlichkeit repräsentierenden Wochenzeitung weitere und vor allem auch kritischere Berichterstattungen zu dieser für die Zukunft der Menschheit so entscheidenden technologischen Entwicklung.


Johannes Greiner

Vieles bezüglich drahtloser Übertrag wird rückgängig gemacht werden müssen

Es gibt unzählige medizinische Untersuchungen, die gesundheitliche Problematiken einer solchen ‹Zwangsbestrahlung› erwiesen haben (www.diagnose-funk.org), und es ist eigentlich nur eine Frage eines fragwürdigen Rennens, ob die neuen Sender für viel Geld installiert werden, bevor die gesundheitlichen Risiken die Durchsetzung der 5G vereiteln, oder ob das Wohl der Bevölkerung stärker wiegt als die wirtschaftlichen Interessen und eine Massenbestrahlung mit 5G verboten wird, bevor die entsprechende Technik verkauft, installiert und in Betrieb genommen wird.

So wie man den einst gefeierten Asbest aus vielen Gebäuden kostenaufwendig entfernen musste, so wie die einst als ‹Energierettung› verkauften Atomkraftwerke nun wieder abgeschaltet werden, so wie dem Plastik in den nächsten Jahren der Kampf angesagt werden wird, wird auch bezüglich Computer und Internet und vor allem bezüglich drahtloser Übertragungen vieles wieder rückgängig gemacht werden müssen, wenn die gesundheitlichen, psychischen und geistigen Schäden nicht mehr geleugnet werden können. Wenn dann bekannt ist, dass im ‹Goetheanum› ein Versuch stattfand, diese katastrophalen Tendenzen schönzureden, wird das peinlich sein.

Als Lehrer sehe ich die Auswirkungen der modernen Medien auf Konzentrationsfähigkeit, Empathie, Willenskraft und Lebensführungsfähigkeit konkret und besorgniserregend vor mir. Viele sagen, es ginge nicht anders, die totale Digitalisierung sei nicht mehr aufzuhalten und man müsse mitmarschieren. So wurde auch in der Zeit des Nationalsozialismus argumentiert. Auch heute werden Minderheiten nicht beachtet. Gegen die Einflüsse von 5G kann sich der Einzelne allein nicht mehr wehren. Ist die Digitalisierung der Faschismus unserer Zeit? Einige werden reich durch ihn, viele verlieren Orientierung, Denkfähigkeit, Entschlusskraft und Selbständigkeit. Der große Unterschied besteht wohl darin, dass der heutige Faschismus ‹smart› ist und mit dem Konsumenten, seiner Faulheit und seinen Begehren rechnet. Zum Glück gab es damals einen Widerstand. Nicht ‹alle› Menschen waren verblendet. Sonst könnten wir nicht mehr an den Menschen glauben.

Eben ist mein Buch erschienen: ‹In Ahrimans Welt. Leben mit Maschinen und Medien›. Nicht, weil mir diese Techniken fremd wären, warne ich in diesem Buch vor ihnen, sondern weil ich durch jahrzehntelange Beschäftigung immer klarer sehe, welche Wesen durch diese Techniken auf die Menschheit einwirken und wie verheerend diese Wirkungen sind. Es ist für mich manchmal fast nicht auszuhalten, wie zerstörerisch bezüglich Geist und Seele gefeierte moderne Techniken wirken. Oft fühle ich mich ohnmächtig einem uns entgegenrollenden Monstrum gegenüber. Ich will nicht lächelnd vor dem Monstrum hergehen und für es werben. Und ich meine auch, dass das nicht die Aufgabe des „Goetheanum“ sein kann. Ich suche die Menschen, die ihm Widerstand leisten wollen. Jeder Mensch, der den Mut hat, das nahezu Unerträgliche zu erkennen und zu benennen, gibt dem Widerstand Kraft. Wo sind diese Menschen?


Wolfgang Held, Redaktion

Die Mitte zwischen Ergebenheit und Dämonisierung finden

Die Schreibenden haben selbstverständlich recht, dass mit dem neuen Funknetz gesundheitliche Risiken verbunden sind. Das habe ich auch nicht bestritten. Allerdings gehen die Einschätzungen über den Umfang dieser Einwirkungen weit auseinander, während wohl Einigkeit darin herrscht, dass vor der Inbetriebnahme oder politischen Entscheidung hier Untersuchungen nötig wären. Robin Schmidt, der am Goetheanum zur digitalen Revolution forscht, unterstreicht die Unsicherheit, die dieser Wandel auslöst, und rät davon ab, sie per se als dem Menschen entgegengestellt darzustellen (‹Goetheanum› Nr. 3–4/2019). Diese Verunsicherung sollte nicht zu einer Dämonisierung gegenüber der digitalen Technik führen. Sie scheint mir vergleichbar der blinden Ergebenheit, die den Blick auf die Gestaltungsräume verschließt.

In den vorangehenden Texten ist die Rede davon, dass die Digitalisierung uns zunehmend abhängig machen würde. Mir scheint diese Betrachtung einseitig zu sein. Vielmehr gehört es zu jeder technischen Entwicklung, dass sie als gemischter König erscheint, Befreiung und Bindung gleichermaßen anbietet. Beispielsweise werden im Internetzeitalter mittlerweile ein Drittel aller Partnerschaften über das Internet geknüpft (Studie ‹Proceedings of the National Academy of Sciences›). Damit ist die Möglichkeit für Partnerschaften nicht mehr auf das enge berufliche und kulturelle Umfeld beschränkt. Was ist das anderes als eine Befreiung? Im Studium habe ich in den Semesterferien zeitweise am Fließband bei vw in Wolfsburg gearbeitet. Ich bin froh, wenn wir Menschen davon befreit werden, solch stumpfsinnige Arbeiten ein Leben lang ausführen zu müssen. Andreas Neider und Michaela Glöckler schreiben, dass ich meine, die Technik mache uns Menschen bequemer. Hier fühle ich mich falsch verstanden. Ob Motor, Messfühler oder Computer, Maschinen übernehmen und erweitern seelische Tätigkeiten des Willens, Fühlens und Denkens. Dies kann zu Passivität führen, aber auch – und hier liegt der eigentliche Entwicklungsdrang – zur Ermächtigung, weshalb mit jeder technischen Entwicklung ethische Fragen aufgeworfen werden.

Der Vorstellung von Andreas Neider, dass im Internetzeitalter Geborene weniger die Möglichkeit hätten, lebendig denken lernen zu können, liegt der Gedanke zugrunde, dass eine digitalisierte Welt per se einem spiritualisierten Denken widerspreche. Ähnliches mögen die Menschen empfunden haben, als Gebete erstmals gedruckt wurden, als man die menschliche Stimme aus einem Lautsprecher hörte. Wer also einer kommenden Generation die spirituelle Erfahrbarkeit abspricht, kann sie nur schwerlich für sich selbst in Anspruch nehmen.

Zum autonomen Fahren: Selbstverständlich bringt es sicherheitstechnische Fragen mit sich, aber diese sollten nicht den Blick vor den Möglichkeiten verschließen: Jetzt stehen in den Städten Millionen Autos 20 Stunden herum. Welch eine Platzverschwendung! In den digitalen Verkehrskonzepten gibt es nur noch fahrende Fahrzeuge, die man per App ruft. Das erlaubt enorme Begrünung der Städte und damit Entschleunigung.

Johannes Greiner vergleicht die digitale Revolution mit dem totalitären NS-Regime und eine Technikgläubigkeit mit dem Opportunismus dieser Zeit. Diesen zu verschiedenen Gelegenheiten herangezogenen Vergleich empfinde ich als außerordentlich irritierend, weil es dieses apokalyptische Verbrechen verharmlost.


‹Die Enträumlichung der Welt› von Wolfgang Held im ‹Goetheanum› Nr. 3–4, 2019.

Korrigendum (1.3.2019) : Im letzten Absatz des Leserbriefes von Johannes Greiner ‹Vieles bezüglich drahtloser Übertrag wird rückgängig gemacht werden müssen› sind im letzten Absatz einige Worte fälschlich hereingekommen. Statt: «am Ende ist es für mich manchmal fast nicht auszuhalten» musste es heissen: «Es ist für mich manchmal fast nicht auszuhalten». Dies wurde oben angepasst.

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