Sergio Andres Gaiti ist strategischer Berater für Firmen und Organisationen in Mailand. Seit seiner Jugend schreibt er für Zeitungen. Sein jüngster Artikel über die Coronakrise erschien im Newsletter der Anthroposophischen Gesellschaft in Italien. Wir sprachen mit ihm über die aktuellen Geschehnisse in Italien.
Was erleben Sie aktuell in Italien?
Das Land ist zu einer geschützten Zone geworden und niemand kann sich frei bewegen, es sei denn aus Arbeits- und Gesundheitsgründen oder einem unbedingten Bedarf. Was uns in Mailand, das der ökonomische Motor für Italien ist, schockiert, sind die leeren Straßen. Die meisten Läden waren bereits zu, aber nun wurde alles geschlossen, was nicht dem unmittelbaren Lebensbedarf dient. Die Konsequenzen, die das für die Anstellungen, Ersparnisse und das Leben der Menschen haben wird, übersteigen alle unsere Vorstellungen und sind nur vergleichbar mit Kriegszeiten. Die Rhetorik der Medien, die Angst, die Maßnahmen, alles erinnert an Krieg. Trotzdem sagt der aktuelle Bericht des italienischen Gesundheitsinstituts, dass von den Erkrankten ohne gesundheitliche Vorbelastungen nur 0,8 Prozent verstorben sind. Die meisten Opfer hatten zwei oder drei Erkrankungen und waren über 80 Jahre alt. Auf einer anderen Ebene werden einige Medien, die nicht mit den gängigen Theorien über die Pandemie übereinstimmen, an die Staatsanwaltschaft gemeldet, um sie mundtot zu machen.
Sie haben über Corona als die ‹Osterkrone› geschrieben. Wieso?
Auf Italienisch bedeutet ‹corona› dasselbe wie (Dornen)Krone und die Zeit, in der wir all dieses Leiden und diese Entbehrungen erleben, ist die Fastenzeit, eine Zeit, in der die notwendige feierliche innere Besinnung großteils nie beachtet wird. Covid-19 kam und wir wurden gezwungen, innezuhalten und aufzuhören, unsere Terminkalender und Einkaufswagen mit unnötigen Gegenständen zu füllen. Eine höhere Schicksalsmacht hat uns des materiellen Tagesgeschehens beraubt und zwingt uns, diese ‹Osterkrone› zu tragen. Das ist die Gelegenheit, die Welt, die wir hinter uns lassen, zu überdenken und volle Aufmerksamkeit auf die Todesprozesse zu richten und möglicherweise eine neue Welt zu kreieren.
Was schlagen Sie Menschen vor, zu tun?
In Dornach am Karfreitag 1920 sagte Rudolf Steiner in einem Vortrag: «Des Menschen ganzes Seelenschicksal ist gekreuzigt in der materialistischen Weltanschauung.» (GA 198, 2.4.1920). Aus dieser dramatischen Vorschau können wir positiv die aktuelle Situation als sehr eindrucksvolle und umfassende, aus Leiden bewirkte Übung in globaler Solidarität und Reflexion betrachten. Dies könnte ein Moment sein, Dreigliederung als therapeutischen Archetyp für soziale Initiativen zu intensivieren.
Kontakt sergio@eticasostenibile.it
Bild Der Verkehr steht still. Mailands Hauptstraßen zur Stoßzeit am Morgen des 26. März 2020. Foto S. A. Gaiti