Wie vernetzt man einen Globus?

Seit nunmehr neun Monaten läuft das Projekt ‹English Edition› der Wochenschrift ‹Das Goetheanum›. Jede Woche gibt es eine komponierte Ausgabe, die versucht, Anthroposophie und anthroposophisches Leben in der Welt und für die Welt zu zeigen.


Wir hatten in der Redaktion lange überlegt, wie wir die englische Variante der Wochenschrift nennen sollten und an wen sie eigentlich gerichtet ist. Natürlich ist es die ‹English Edition›, aber eigentlich war und ist das Anliegen, eine anthroposophische Zeitschrift international online zur Verfügung zu stellen. Damit wollen wir anthroposophisch orientierten Menschen in der Welt eine Anbindung schaffen, zueinander, nach Dornach an das Goetheanum und vor allem daran, wie die Anthroposophie in der Welt, nicht nur im deutschsprachigen Raum, lebt. Die englische Sprache ist dafür das geeignete Medium, auch wenn wir immer noch mit Ideen für eine spanische und französische Variante spielen.

Mittlerweile haben wir 600 Abonnentinnen und Abonnenten, vorwiegend aus Nordamerika, Australien und Neuseeland, also dem englischsprachigen Raum. Etwa ein Drittel der Abos sind aus europäischen Ländern wie Großbritannien, Niederlande und Italien.

Es gibt gute Kontakte nach Asien, die meist durch Walter Siegfried Hahn zustande kommen, der auf den Philippinen lebt und dort anthroposophische Netzwerkarbeit betreibt. Er ist wie ein Auslandskorrespondent für uns. Afrika und Südamerika wollen wir gern im kommenden Jahr stärker einbinden und in diese Netzwerkarbeit investieren. Durch unseren neuen amerikanischen Kollegen Charles Cross, der zurzeit in Dornach lebt, sind wir mit der anthroposophischen Szene in Nordamerika und England verbunden. Langsam baut sich eine internationale Autorschaft auf, die aus ihrem Winkel der Welt von Projekten berichtet, Essays, Kunstbetrachtungen und Interviews liefert und ein Spiegel für die Anthroposophie außerhalb von Dornach ist. Die deutsche und die englische Ausgabe befruchten sich gegenseitig. Denn immer wieder übersetzen wir für die jeweils andere Seite Artikel. So kommt mit der ‹English Edition› auch für Lesende der deutschen Wochenschrift mehr außereuropäische Welt in den Fokus. Und Menschen aus anderen Kontinenten bekommen mit, was die deutschsprachige anthroposophische Welt denkt und tut.

Es gibt aber auch ‹Probleme› und interessante Fragestellungen, die erst mit der tatsächlichen Herausgabe der English Edition aufgetaucht sind. Das digitale Jahresabonnement beispielsweise kostet 80 Euro, was für europäische oder westliche Verhältnisse nicht viel ist. Aber schon recht früh kam das Feedback, dass das für Menschen in China oder Pakistan, auch in Afrika oder Südamerika zu teuer sei. Selbst osteuropäische Freundinnen und Freunde der Anthroposophie spiegelten uns das. Wie kann man ermöglichen, dass auch weniger wohlhabende Menschen die Wochenschrift abonnieren können, wenn sie es wollen? Mit Geschenkabos? Mit einem niedrigeren Abopreis für weniger wohlhabende Regionen der Welt? (Informationen dazu findet man auf dem Anmeldeformular auf der Webseite.) Die Frage nach der Profitabilität, aber auch der Geschwisterlichkeit könnte die englische Wochenschrift zu einem neuartigen Produkt noch ganz anderer Art machen. Zu einem ‹Gemeinschaftsprodukt›, welches von Menschen für Menschen ermöglicht wird. Einer unserer amerikanischen Abonnenten fragte in einer Leserreaktion nach den michaelischen Impulsen der Wochenschrift. Wir empfinden es als michaelisch, die Welt zu vernetzen und so ein Forum zu bieten, auf dem sich Menschen wahrnehmen können mit ihren Bezügen zur Anthroposophie. Wenn das auch wirtschaftlich zum Tragen kommt, wäre es ein großer Schritt. Im Moment müssen wir noch erreichen, dass sich das Projekt selbst trägt. Für die dem europäischen Bewusstsein eher abgelegeneren Winkel der anthroposophischen Welt bedeutet die englische Ausgabe auch, überhaupt wahrgenommen zu werden. Das ist Stärkung und Erweiterung für alle, die jedoch die Freiheit der Einzelnen wahrt. Denn das Medium der Sprache trägt Gedanken zu, aber Gedanken sind frei.

Ein anderer Aspekt dieser ‹kollektiven Bewusstseinsarbeit› zeigt sich in den Übersetzungen. Sprachgeister verweisen auf verschiedene Aspekte von Phänomenen. Wie kann der Duktus eines Sprachgenius oder auch einer Kultur erhalten bleiben, wenn ich ihn ins Englische oder ins Deutsche überführe? Diese Feinheiten und Unterschiede treten in der ‹English Edition› viel mehr zutage. Dadurch kommt die Welt an uns heran, wird sinnlich wahrnehmbar, selbst im Online-Medium.

Die englische Ausgabe der Wochenschrift ist wie das Kind des Gedankens, dass die Weisheit des Menschen in der Welt webt und waltet. Wir sind froh, diese ersten Schritte gegangen zu sein, und freuen uns auf die kommenden, auf ein Einander-Kennenlernen, auf ein Wachsen und Zusammenwachsen.


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