Es zeigt sich hier der grundlegende Unterschied zwischen geistiger und sinnlicher Wahrnehmung. Bei Letzterer besteht aufgrund der äußeren Gegenständlichkeit immer die Möglichkeit, dass ich zwischen dem, was ich selber bin, und dem, was äußerer Gegenstand ist, unterscheiden kann. Habe ich geistige Wahrnehmungen, lässt sich dabei zunächst nicht so einfach unterscheiden, was aus dem eigenen Seelischen stammt und was tatsächlich geistige Wesenhaftigkeit ist. Darauf beruhen auch die meisten Einwände gegen die Anthroposophie, die eine Erkenntnismöglichkeit geistiger Welten prinzipiell infrage stellen. Einwände dieser Art stellen letztlich jedoch nur selbst gebaute Hürden gegenüber der geistigen Welt dar.
Rudolf Steiner macht in den hier versammelten meditativen Texten darauf aufmerksam, dass der Mensch an der Schwelle zur geistigen Welt sehr wohl weiterkommen kann, indem er beginnt, sich selbst zu erkennen. «Erkenne dich selbst» lautete schon im antiken Griechenland die Aufforderung an denjenigen, der nach höheren Erkenntnissen strebte. Denn wer zu geistigen Erkenntnissen kommen will, muss unterscheiden lernen zwischen dem, was seiner eigenen Wesenheit angehört, und dem, was tatsächlich geistige Umwelt ist.
Aus Rudolf Steiner, Erkenne dich selbst. Hg. von Andreas Neider, Dornach 2010.
Grafik Sofia Lismont