‹Res vocale›, sprechende Dinge, so hießen auf dem römischen antiken Bauernhof die Sklaven, und weil sie also Dinge waren, waren sie ihrem Herrn, ihrer Herrin ausgeliefert.
Und als Dinge durften sie sich nicht vor Gericht verteidigen. ‹Res mobiles›, bewegliche Dinge, waren in dieser Ordnung alter Zeit die Tiere, und ‹res mutae› waren die stummen Dinge wie Schaufel, Gabel und Forke. Dann stieg 161 n. Chr. ein Philosoph auf den Thron und gab Sklaven das Recht, für sich und andere zu sprechen, sie blieben gefangen, aber gewannen ihr Menschsein. Es war der Anfang vom Ende römischer Sklaverei.
Heute sind es die Tiere, die nicht für sich sprechen dürfen. Wenn wir sie zu Wort kommen lassen, wenn wir verstehen, was ein Tier für sein Tiersein braucht, dann wird das Tier erst zum Tier, dann ist es so, wie Ueli Hurter in seinem Artikel schreibt: Dann wächst im selben Moment die eigene menschliche Würde. Man mag sich an die eigene Kindheit erinnern: Groß fühlte man sich, wenn man den Hund aus der Schlinge, den Frosch aus dem Kellerloch befreite und sie so wieder in ihr Tiersein entlassen konnte. Die Tiere heute aus der industriellen Hölle zu befreien, ist die Aufgabe von uns Erwachsenen. Die Aufgabe treten wir an, indem wir den Tieren ihre Stimme geben.
Line, Shira Nov, Tinte auf Papier, 2018