Das Lesen dient nicht dem Sammeln von Informationen, sondern dazu, dass du das Lesen lernst und übst, in jedem Sinne. Lies an einem Tag nicht mehr als das, womit du dich bis zum nächsten Lesen innerlich beschäftigen kannst. Je langsamer du liest, umso größer wird die Möglichkeit, dass dabei in dir etwas geschieht, etwas aufgeht.
Lerne, beim Lesen darauf zu achten, was du nicht verstehst: Dieses ist das Tor, durch das du weiterschreiten kannst – ein heiliges Tor. Nicht nur menschengeschriebene Texte gibt es. […] Das langsame Lesen ist in gesteigertem Maße bei geisteswissenschaftlichen Schriften zu empfehlen. Natürlich kann nur der langsam lesen, der ganz oder tief liest. Besonders diese Art von Schriften sind vielschichtig: Sie können auf verschiedenen Ebenen verstanden werden. Es ist wie beim Ackern: Es kann nur die oberste Schicht des Bodens berühren oder es kann sehr tief gehen.
Aus Georg Kühlewind, Vom Normalen zum Gesunden. Stuttgart 1983, S. 205.
Foto Sofia Lismont
