Ronja Eis ist Studentin für Internationale Beziehungen in London und arbeitet an dem Projekt der Jugendsektion zur jugendgeführten Erforschung der Perspektiven der heranwachsenden Generation (‹Goetheanum› 49/2019). Anet Spengler ist Landwirtin und Forscherin am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FIBL) Schwerpunkt Tierzucht.
Anet Spengler «Es ist einfach ungerecht, wenn wir Menschen die Erde kaputt machen und alle anderen Lebewesen gehen mit uns zusammen zugrunde. – Wir hätten ja noch Entwicklungsmöglichkeiten.» Das sagte mein 19-jähriger Mitbewohner, und er hat recht: Es ist an uns, die Fähigkeit zu entwickeln, andere Wesen wirklich zu verstehen, und uns bewusst zu werden, was wir mit unserem Denken und Handeln auslösen, und Verantwortung dafür zu übernehmen. Die Naturwesen helfen uns bei diesem ‹Wesenstausch›. Der Klimabruch ist eine Antwort der Natur auf unser bisheriges Denken und Handeln. Können wir die Lebensbedingungen auf der Erde so lange erhalten, bis wir so weit entwickelt sind, dass wir und die anderen Naturreiche uns auch entwickeln können ohne sie?
2019 und 2020 änderte sich die Stimmung, es geht jetzt immer deutlicher darum, in und für die Natur Gutes zu tun.
Ronja Eis Der Wille, sich zu entwickeln, ist da. Das zeigt unser Forschungsprojekt. Gleichzeitig ist die Beziehung zur Natur vielfältig. Wie sprechen die Interviewten im Alter von 18 bis 35 Jahren aus über 30 Nationen über die Natur, wie ist die Ich-Du-Beziehung? Das beeindruckendste Zitat beschrieb die Natur als eine Art Gebärmutter. «Ich denke immer an die Liebe meiner Mutter. Es ist die gleiche Liebe, die die Erde für uns hat. Sie gibt uns alles, sie erhält uns – es ist so viel Liebe jeden Tag.» Diese Voten stammten aus dem Jahr 2017 und hatten den Schwerpunkt in der persönlichen Entwicklung. 2019 und 2020 mit Fridays for Future änderte sich die Stimmung. Es geht jetzt deutlicher darum, in der und für die Natur Gutes zu tun. Eine 35-jährige Italienerin sagte: «Die Natur wartet, dass wir Menschen uns verändern.» Und ein Jugendlicher aus Norwegen: «Ich fühle die Dringlichkeit. Das kann zum Handeln führen oder auch lähmen.» In den Gesprächen seit der Corona-Krise war die wichtigste Frage, wie ein Leben aussehen kann, das aus der Krise führt und Leben erhalten kann. Wie muss sich unser Zusammenleben verändern? «Ich möchte gute Taten vollbringen», sagte eine 17-jährige Rumänin, und eine 19-Jährige führt es weiter: «Woran erkennt man eine gute Tat? Wenn sie aus Liebe geschieht.»
Spengler Der größte Anteil an freiem Kohlenstoff ist nach den Ozeanen in den fossilen Stoffen wie Öl, Kohle und Erdgas gebunden. Die ursprünglichen Kleinstlebewesen und Pflanzen hatten vor Millionen Jahren den Kohlenstoff aus der Atmosphäre gebunden und damit die co₂-arme Umwelt ermöglicht, die höhere Lebewesen brauchen. Von den 1500 Milliarden Tonnen hat die Menschheit schon 20 Prozent wieder freigesetzt. Weil wir es jetzt verstehen, muss damit Schluss sein. Auch das Grasland ist ein wichtiger Kohlenstoffspeicher. Es macht zwei Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus, 24 Prozent sind Ackerland für die menschliche Ernährung und 8 Prozent Ackerland für die Nutztierfütterung. Wenn wir mit den Nutztieren das Grasland pflegen würden, aber kein Ackerfutter mehr an Tiere verfüttern würden, dann hätten wir mehr Ackerland für die Ernährung von neun Milliarden Menschen zur Verfügung und könnten die Wiederkäuer artgerecht halten und füttern. Wir müssten aber weniger Geflügel und Schweine halten, während man für die Graslandbewirtschaftung etwas mehr Wiederkäuer bräuchte. Unseren Konsum von tierischen Lebensmitteln müssten wir um zwei Drittel reduzieren. Mit diesem Szenario könnten wir fast alle Umweltparameter inklusive Klimagase verbessern, es ist gut für die Tiere und gut für die Ernährung aller Menschen. Es ist auch gut für den Boden, wenn wir Wiederkäuer halten, denn der gut kompostierte Mist hält den Boden nicht nur lebendig, sondern stabilisiert ihn und schützt vor extremen Wetterereignissen und Erosion. Das FIBL verglich im DOK-Versuch über 40 Jahre konventionellen, biologischen und biologisch-dynamischen Landbau. Nur auf dem biologisch-dynamischen Ackerboden konnte der Humusgehalt (der Kohlenstoff im Boden) erhalten, ja sogar gesteigert werden! Dafür spielt das Kompostieren des Rindermistes eine wichtige Rolle. Mit diesem Dünger kann der Boden oft mehr Kohlenstoff fixieren, als ihm entnommen wurde. Und der Ausstoß an Klimagasen aus dem Boden ist im DOK-Versuch auf den biologisch-dynamischen Parzellen am geringsten. Eine Kuh kann bis 1200 Kilogramm Kohlenstoff pro Jahr in den Boden bringen, wenn wir guten Kompost machen. Aber man muss aufpassen: Wenn der Misthaufen raucht, dann geht der Kohlenstoff in die Luft. Durch richtiges Schichten und Regulieren der Feuchtigkeit ist das zu verhindern. Wenn wir es gut machen, dann können die Kühe beim Klimaschutz unsere Partnerinnen sein !
Hervorragender Artikel! Kühe werden meistens als Klima-PROBLEM betrachtet. Hier wird gezeigt, dass sie Teil der LÖSUNG sein können; allerdings nur wenn wir es richtig machen.