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Wertfrei: Eine Aufklärung

Der schottische Philosoph David Hume kritisierte im 18. Jahrhundert einen Zusammenhang, der seither als wissenschaftliche Todsünde gilt: der Sein-Sollen-Fehlschluss.


Hume hatte beobachtet, dass sich in viele Abhandlungen darüber, was ist, Vorstellungen darüber, was sein sollte, einschlichen und das Urteil trübten. Humes Gesetz, dass es prinzipiell unmöglich sei, von Faktenbeschreibungen auf Werturteile zu schließen, findet seinen Widerhall noch im ‹Werturteilsstreit› deutscher Soziologen Anfang des 20. Jahrhunderts, in dessen Verlauf Max Weber entschieden für die ‹Wertfreiheit› der Wissenschaft eintrat. Für die Frage, was in der Welt der Fall sei, sei die Frage, was in der Welt der Fall sein solle, irrelevant, so Weber.

Die Forderung nach einer ‹wertfreien› Wissenschaft wendet sich aufklärerisch gegen jede Form der Bestätigungsforschung. Wer eine Frage stellt, der sollte die Antwort nicht vorwegnehmen. Was bei der Diskussion um die mögliche ‹Wertfreiheit› wissenschaftlicher Antworten allerdings oftmals unterschlagen wird, ist die unmögliche ‹Wertfreiheit› wissenschaftlicher Fragen. Was ich befrage, steht mir frei. Ich kann mich von diesen oder jenen Interessen leiten lassen, doch meiner Intentionalität und damit auch meiner Moralität verdankt sich schließlich jede Frage.

Ernst-Wolfgang Böckenförde formulierte für das Rechtsleben: «Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.» Gleiches gilt auch für die Wissenschaft: Die ‹wertfreie› Wissenschaft lebt von der Moralität der Forscher ebenso wie der säkularisierte Staat von jener der Bürger. Ich bin es, der die Fragen stellt, von denen die Antworten der Welt abhängen.


Titelbild: David Hume

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