«Wer ist der da oben?», fragen Besucher und Besucherinnen und deuten auf das kleine geflügelte Wesen, das Rudolf Steiner zuletzt an die Spitze seiner Holzplastik gefügt hat. Über all dem dramatischen Geschehen thront der Flügelmann und gibt der neun Meter hohen Skulptur die Balance. Ich zeige zuerst auf Luzifer: «Diese Gestalt ist auf sich bezogen! Flügel, Hände und Kopf sind nach innen gewendet. Er ist sich selbst nah und der Welt fern.»
Dann wandern die Blicke zur knochigen Gestalt darunter, ‹Angra Mainyu› oder lateinisiert Ahriman. «Hier ist es umgekehrt. Der Kopf ist in den Nacken geworfen, Hände und Füße krampfen nach außen. Er ist allem Äußeren nah und sich selbst fern.» So mächtig diese Kräfte des Bösen sein mögen, sie sind gefangen in Nähe und Distanz. Ahriman ist der Welt nah und sich selbst fern, Luzifer ist der Welt entrückt und sich selbst nah. Die kleine Gestalt oben ist nicht gefangen, sondern spielt fortwährend mit Nähe und Distanz. Sie ist: der Humor. Mit der Selbstironie gewinnen wir Distanz zu uns und der Welt, um uns im Witz mit uns und allen Widrigkeiten des Lebens mit der Welt zu vermählen. Ja, der Humor ist mächtig und menschlich, weil er das Spiel von Nähe und Distanz beherrscht und liebt, ja, beherrschen und lieben: auch diese beiden Tätigkeiten sind ein Spiel von Distanz und Nähe – eben typisch Humor.
Zeichnung von Estella Mare