Was meine ich mit ‹Wer bin ich?›?

Wer bin ich? Eine einfache Frage, aber schwer zu beantworten. Ich bin und bleibe ich selbst, auch wenn mir manches von meinem Besitz genommen wird, denn den habe ich, aber der bin ich nicht.


Und wie steht es mit wichtigen Erfahrungen, die ich gemacht habe und die ich nicht missen möchte, weil sie zu einem Teil meiner Persönlichkeit geworden sind? Die sind nicht auswechselbarer Besitz. Mein Vater, der zweimal die Entwertung seines Geldes erlebt hat, pflegte zu sagen: Reisen sind die sicherste Kapitalanlage. Wer im Alter zufrieden auf ein reiches Leben zurückblicken kann, kann sich identifizieren mit seinen Erinnerungen. Ich bin der oder die, der oder die all das erlebt hat.

Aber bin ich nur oder vor allem meine Vergangenheit? Ich bin nicht nur der oder die, sondern vielleicht noch mehr der oder die, der oder die ich werden kann – und will. Jean Améry hat gesagt: Der junge Mensch hat die Zeit vor sich, der alte Mensch in sich.


Aus: Johannes W. Schneider: ‹Wer bin ich?› in Jean-Claude Lin, ‹Im Garten der Zeit›, Stuttgart 2021.

Grafik: Sofia Lismont

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