Kinder waren meinem Herzen immer nah. Ich wäre aber gerne auch Malerin geworden, empfinde es als eine verpasste Gelegenheit in diesem Leben. Wenn ich jetzt wählen könnte, neu beginnen könnte, würde ich beides wählen: Kinderfürsorge und die Malerei. Mit einer richtigen Ausbildung. Die Kunstgewerbeschule zum Beispiel.
Das hätte ich mir gewünscht. Im Nachhinein empfinde ich da einen Mangel. Beides würde ich machen. Als Kind jubelte ich, wenn ich Zeichnen und Malen durfte. Ich wurde darin aber nicht unterstützt und gefördert. In den Ausbildungen spielte die Malerei überhaupt keine Rolle. Eine Frau, die malt, war eigenartig. Fast gefährlich! Erst während der Zeit in Olten kaufte ich mir Leinwand, Pinsel, Stifte. Bei dem großen Arbeitspensum blieb aber kaum Zeit für dieses Hobby. Doch besuchte ich Ausstellungen, wo immer ich Gelegenheit dazu hatte. Olten, Basel, Zürich, auch Paris. Die Impressionisten, van Gogh!
In meiner Pensionszeit habe ich den dünnen Faden wieder aufgegriffen. Ich besuchte verschiedene Kurse in Öl-, Aquarell- und auch Bauernmalerei. Im Großen und Ganzen habe ich aber autodidaktisch gelernt; habe große Meister kopiert und dann den eigenen Weg gesucht. Meine erste Ausstellung fand zu meinem 80. Geburtstag statt.
Die Malerei gab den vergangenen 25 Jahren die Farbe. Wie ein großer Herbst.
Aus Anneliese Schnell: Wer denn, wenn nicht ich. Dornach 2020.
Zeichnung Sofia Lismont