Es beginnt bei mir, aber es geht nicht um mich. Bei der Betrachtung unseres persönlichen Weltverhältnisses entdecken wir in der Regel die Möglichkeit und vielleicht die Notwendigkeit einer qualitativen ‹Selbstoptimierung›, einer nicht nur quantitativen Steigerung unserer kognitiven, emotionalen und volitionalen Fähigkeiten.
Dies setzt zum einen ein bestimmtes Ausmaß an Fähigkeit voraus, Zusammenhänge sachlich betrachten zu können – was Denkschulung erfordert. Andererseits kann der Einzelne sein ‹Kostbares› nur entdecken, wenn er «sein stärkstes Gefühl […], da in ihm was sein Innerstes bewegt, wahrhaft erfasst». (Martin Buber, ‹Der Weg des Menschen›) Das erfordert wiederum eine ‹Reinigung› des Gefühlslebens, eine Empfindungsfähigkeit, die über die bloß persönliche reaktive Betroffenheit hinausgeht. Denn hier gibt es natürlich die Versuchung des Nächstliegenden, die unfreie Identifikation mit den Interessen und Wünschen, die das Alltags-Ich sich zu erfüllen hofft. Auf dieser Ebene eröffnet sich das Arbeitsfeld der Selbstführung im emotionalen Bereich, auf das ich in der Veröffentlichung ausführlich eingegangen bin. (Rudy Vandercruysse, ‹Herzwege›) Hier geht es nicht um Unterdrückung, sondern um Pflege, um eine Kultur des Gefühlslebens, die sowohl eine Vertiefung und Existenzialität des Erkenntnislebens als schließlich auch eine Stärkung und Erwärmung, ja Befeuerung des Willens ermöglicht.
Aus Rudy Vandercruysse, Wo bist du? Der Weg des Menschen und die innere Praxis der Selbstführung. Stuttgart 2021.
Grafik: Sofia Lismont