Was meine ich mit Seele?

Die Seele ist den Wissenschaften unheimlich geworden, weil sie unsichtbar, ungreifbar und nicht messbar ist.


Sie weist auf einen Seinsbereich des Menschen, der uns unser eigenes Inneres wie auch das Innenleben unserer Mitmenschen erfahrbar und mitfühlbar werden lässt. Seelisches kann nur von Seelischem erkannt, gefühlt und verstanden werden. Die Seele ist der Schlüssel zu uns selbst wie zu den Mitmenschen und zur Welt.

Nur noch die Geisteswissenschaften und die Künste arbeiten mit dem Begriff der Seele. Diese Wissenschaften brauchen keinen naturwissenschaftlichen Beweis für die Existenz der Seele. Für sie ist Seele erlebbar, im Menschen wie auch in den Werken von Menschen. So erleben auch die meisten Menschen die Seele in ihrem Leben als gegenwärtig und wirklich. Spürt nicht jeder Mensch, der bei wachen Sinnen ist, dass er gerade liest oder einen Gedanken hat, oder ein Gefühl, eine Erinnerung? Durch Selbsterleben, durch Nachdenken, wissen wir unmittelbar von der Wirklichkeit unserer Seele. Wir erleben die Wirklichkeit der Seele nicht nur an und durch uns selbst, sondern auch an und durch unsere Mitmenschen: An der Begegnung mit dem Du erlebe ich mein Ich (Martin Buber, ‹Ich und Du›). Auch wenn dabei neuronale Vorgänge eine Rolle spielen, so bin es doch wieder ‹ich›, der mitfühlt und sich zu einer Handlung motivieren lässt oder nicht. Sinngebung gehört zum menschlichen Dasein – im Gelingen wie im Verlieren zeigen sich die Wirklichkeit der Seele und ihre Fähigkeit, sich zu orientieren, woran sie will.


Zusammengestellt aus: Volker Fintelmann und Markus Treichler, Seele und Leib in Gesundheit und Krankheit, Frankfurt 2019.

Titelbild: Sofia Lismont

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