Was meine ich mit Langeweile?

Langweilig wird es uns immer dann, wenn äußere Eindrücke, denen wir ja im alltäglichen Leben den Hauptanteil unseres Seeleninhaltes verdanken, wegfallen und wir äußere, kurzweilige Anregungen vermissen müssen.


Erst einmal spüren wir so etwas wie innere Leere, eine unerfüllte Zeit, eben eine ‹lange Weile›, die der dänische Philosoph Kierkegaard das «subjektive Korrelat des Nichts» nannte und aus der eine Vielzahl von Süchten resultiert, die dieses Nichts erst einmal übertünchen bzw. betäuben helfen. Die ‹lange Weile› ruft eigentlich dazu auf, uns durch Aktivität, durch Selbsttätigkeit innerlich zu erfüllen. Blaise Pascal: «Nichts ist dem Menschen so unerträglich, wie in einer völligen Ruhe zu sein, ohne Leidenschaft, ohne Tätigkeit, ohne Zerstreuung, ohne die Möglichkeit, sich einzusetzen. Dann wird er sein Nichts fühlen, seine Verlassenheit, seine Unzulänglichkeit, seine Abhängigkeit, seine Ohnmacht, seine Leere. Unablässig wird aus der Tiefe seiner Seele die Langeweile aufsteigen, die Niedergeschlagenheit, die Trauer, der Kummer, der Verdruss, die Verzweiflung.»

Weil der Mensch diese Form von Selbstbegegnung selten aushält, erfindet er all die Dinge, die ihn von sich selbst ablenken. Die Gefahren äußerlicher Hyperaktivität und innerer Passivität wachsen heute auf jedem Seelenboden und können nur durch individuelle Willensanstrengungen überwunden werden. Beginnt man, sich selbst langsam zu entschleunigen, auch wieder achtsam zu werden, und versucht, anwesend zu sein, versteht man Goethe umso besser, der dem Eiligen zuruft: «Du bist sehr eilig, meiner Treu! Du suchst die Tür und läufst vorbei.»


Aus: Hetze und Langeweile – Die Suche nach dem Sinn des Lebens. Reihe Falter Nr. 37, Stuttgart 2008.

Grafik: Sofia Lismont

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