Künstlerische Prozesse helfen, neue Fähigkeiten zu erwerben, denn sie verweisen auf Abgründe, die es zu überbrücken gilt.
Die derzeitige Krise bringt so vieles mit sich, was wir gar nicht als Einzelne fassen können. Aber in Gemeinschaft können wir sehr viel zusammentragen. Dieses Spannungsfeld zwischen Ich und Gemeinschaft, Ich und Menschheit ist die größtmögliche Kluft. Wie diesen Abgrund überwinden? Wir brauchen neue Fähigkeiten, um Zukunft zu gestalten, um mehr Bewusstsein für das, was wirklich gebraucht wird, zu erlangen.
Der künstlerische Prozess an sich ist ein Schulungsweg. Um Neues zu schöpfen, brauchen wir das Üben des Vertrauensvoll-in-den-Abgrund-Blickens. Für mich ist fast jedes Bild ein Gang durch einen Abgrund. Erst ist alles harmonisch und besteht aus dem, was ich bis zum heutigen Zeitpunkt geworden bin. Dann aber kommt die Krise: «War das schon alles? Da stimmt was nicht. Das ist nichts Neues, sondern das immer gleiche Alte in neuem Kleid …» Ab dem Moment, wo ich diesen Abgrund erkenne und zulasse, spüre ich, wie etwas Neues werden will. Altes loslassen, Neues kommen lassen, laufen lassen, sehen, was wird, darüber staunen und daran weitergestalten.
Wir erleben eine Zeit des Umbruchs. Wir sind alle Teil davon, aber wissen noch nicht, wohin die Reise geht. In diesem ‹Nullpunkt› liegen die Ansätze, um über den Abgrund zu kommen. Das Aushalten muss jede und jeder für sich allein schaffen. Für den Rest können wir uns als Gemeinschaft gegenseitig helfen und weiterkommen. Das Wahrnehmen und Beobachten der äußeren Welt und der Anforderungen, die an uns Menschen gestellt werden, um eine Zukunft aktiv mitzugestalten, bringt mit sich, künstlerische Prozesse zu wagen. Oder wie Beth Mount sagt: «Wirkliche Veränderung geschieht nur in Beziehungen, die gleichermaßen unser Herz, unseren Verstand und unsere Hände im Tun ansprechen. Sie kann nicht verschrieben oder implementiert, nur eingeladen, willkommen geheißen und wertgeschätzt werden.»
