Eine Auseinandersetzung mit der Kunst zu führen, ist Begegnung mit Geist, auch wenn die künstlerischen Wege individuell sind. Das Werk entspricht dem Raum, den der Kunstschaffende in sich bereitet und offenbart dem Betrachter seinen mitschaffenden Anteil. Eine Begegnung mit dem Künstler Stéphane Zwahlen.
Vor uns ausgebreitet liegen die drei Werke, in der hellen Küche der Souterrainwohnung in den Zielbäumen, in Dornach. An den Wänden hängen Originale von Stéphane, mit denen er lebt wie mit Gesprächspartnern. Die drei ‹Hefte› oder ‹Livres›, Quintessenzen, ‹basic etudes› – ich weiß keinen Begriff für das, was er in den drei Heften abgerundet hat – würde er selbst als ‹Notizbücher› bezeichnen und, ja, sie sprechen von Erkundungen. Allerdings haben sie nicht die Leichtigkeit eines skizzenhaften Reisenotizbuches, in welchem man seine Gedanken sammelt, bevor sie davonschweben. In ihnen ist etwas geronnen. Dieses Etwas hat mit der Suche nach dem Wesen des Geistes selbst zu tun.
Er ist heute 75 Jahre alt und lebt ein sehr zurückgezogenes Leben. Es ist eine stille, unbemerkte Arbeit über Jahre, in welche man eintritt, wenn man ihn besucht. In seiner Jugend hatte er an der Kunstgewerbeschule in Basel studiert, die Fächer Bildhauerei, Fotografie, Grafik und Typografie belegt, um dann eine Bühnenbildassistenz am Theater Basel anzunehmen. Auch Ausstellungen seiner Arbeiten gab es damals bereits. Er wollte jedoch noch etwas Neues, etwas, was seinen Horizont erweitern sollte. Das war 1975. «Dann bin ich nach Dornach gekommen und habe hier bei Beppe Assenza Malerei studiert. Das hat enorm viele Fragen aufgeworfen. Doch ich empfand, hier in Dornach ist das Zentrum von etwas ganz Neuem und Zukünftigem. Das hat sich für mich auch bewahrheitet.» Er verzichtete auf weitere Ausstellungstätigkeit und spezialisierte sich auf das Handwerk der farbigen Wandlasuren in Privaträumen, Fabriken, Schulen und Kirchen. In den Christengemeinschaften Würzburg und Dresden hat er Altarbilder gemalt. Was er für sich allein erforscht und weiterentwickelt hat in seiner Kunst und mit der Anthroposophie, ist in die ‹Notizbücher› gegossen.
Schulungsskizzen
Sein Suchen führte ihn auch zu den Schulungsskizzen für Maler von Rudolf Steiner1, die ihn bis heute begleiten. Er erinnert sich noch gut an das damals übliche Verfahren, wenn man mit ihnen arbeiten wollte. Die Originale hingen im sogenannten Skizzenraum hinter dicken Vorhängen und waren jeweils jeden Samstag zu sehen. Stéphane erlebte eine Lichtkraft in ihnen, die ihm ganz neu war. Eine Offenbarung von ‹Lichtsubstanz›. Die Frage der Interpretation tauchte in ihm auf: Kann man Dinge einfach tradieren oder verlieren sie dadurch nicht die Kenntlichkeit ihrer Substanz?
Wenn man nur das Vorgegebene, die Partitur tradiert, was er viele Jahre lang geübt hat (auch unter Anleitung Walter Roggenkamps, der ein direkter Schüler Henni Gecks war), fördert das nicht ein vorstellungshaftes Substanzwahrnehmen – bzw. Nichtwahrnehmen? Das ‹Lesen› der Schulungsskizzen vergleicht er mit dem Lesen einer Notenpartitur2 z. B. von Beethoven. Das Klangbild verändert sich im Laufe der Zeit und neue ‹Lesarten› werden entdeckt oder übersehen. Stéphane hat lange Zeit mit den Skizzen gearbeitet, um sich selbst zu prüfen, nicht zu früh zu meinen, etwas verstanden zu haben. «Das eigene Unvermögen ist viel größer, als man wahrzunehmen gewillt ist», sagt er schmunzelnd. Er hat sich langsam angenähert an eine unbefangene Wahrnehmung, fragend, nicht wissend. Er entdeckte, dass es malerische Urkeime zu den Urbildern gibt3 und die ‹Naturstimmungen› unter anderem auch als Möglichkeit der Interpretationen eines Naturbildes, einer evolutionären Sichtweise von Weltentwicklung gelesen werden können. – «Doch die Nachbilder der Urbilder sind am Verblassen, sie verabschieden sich langsam aus unserer Gegenwart. Vor unseren Augen kehren sie wieder zurück ins Nichtsichtbare. Trauerarbeit, aber auch Handlungsbedarf sind gefordert. Kann man die Restfragmente dokumentarisch aufarbeiten? Skizze 8 und Gruppenseele/Mensch sind schon fast unwiderruflich verschwunden.» Die Skizzen sind ihm ein Anliegen und er sieht ihr Zukunftspotenzial vor sich. Letztendlich hat ihm die ätherisch-bildnerische Umsetzung im Üben mit den Skizzen das ‹Lichtblatt› eröffnet, den Bildraum des dritten Heftes der ‹Notizbücher›.
Krisis/Katharsis
Mit dem ersten Heft ‹Krisis/Katharsis› habe ich einmal ein paar Tage verbracht. Da lagen die etwa A-5-großen Karten mit schwarzen Zeichnungen oder kleinen Lyriken aufgereiht auf meinem Sofa und immer wieder streunte ich daran vorbei, nahm ein Gedicht oder eine Zeichnung, trank mit ihr meinen Kaffee, betrachtete oder las, brachte sie zu ihren anderen zurück, sortierte sie um, las erneut, reihte wieder ein. Ja, man kann mit ihnen leben wie mit Meditationen. Es sind Abstraktionen von Äußerem und Innerem, die den Themenkreis von Bild und Nichtbild zu umspannen beginnen. Sie zeigen den Weg der Krisis, die am Endpunkt des Vorstellungslebens ankommt, «wo das Innere sich im Nichtbild erfasst». Stéphane hat erfahren: «Wenn man Interesse hat an einer inneren Entwicklung, hat man eventuell auch die Chance, auf ein anderes Feld zu kommen, wo man nicht so selbstbezogen ist. Ich habe den Eindruck, eine spezifische Art des Ausdrucks bewusst hinter mir gelassen zu haben. Bei ‹Krisis/Katharsis› ist das alles noch exemplarisch seelisch da und in einer gewissen Expressivität, wo man stark seine Verletzungen, Ängste, Leidenschaften, seine vermeintlich ureigensten Gefühle zum Ausdruck bringen muss.4 Es kommt auf diesem Weg zu einer bestimmten Art von Krise. Es entsteht möglicherweise eine innere Katharsis, dass man einen Schritt weiter gehen möchte, über die Selbstverletzung hinaus.5 Wenn man dann das Neuland betritt und da exakt beobachtet, kann man ganz andere einfache Formen finden im Ausdruck, die dem entsprechen, auch im Sozialen.»6
Nachbildstille
Ein zentraler Begriff und Zustand in seinem Schaffen, den er in sich herstellen musste und poetisch befunden hat, ist die ‹Nachbildstille›. Sie ist die Voraussetzung, das Eintrittstor, was, auch unabhängig von der Kunst, ab einem Zeitpunkt lebensnotwendig für Stéphane wurde. «Wenn du in der ‹Nachbildstille› lebst, gibt es eine bestimmte Präsenz, die nenne ich poetisch ‹Jetzt-Senkrechte›.»
Ich öffne das zweite Notizbuch ‹Nachbildstille›. Obenauf sofort ein erster Eindruck seiner farbigen Arbeiten, der erste von sieben. Sieben kleine Farbkarten, die abstrakt erscheinen könnten für ein schnell schauendes Auge. Sie sind für meine Augen mehr Klang denn Malerei. Ihnen folgen lyrische Arbeiten, haiku-artig. Es taucht öfter das Wort ‹Jetzt-Senkrechte› auf. Ich sehe und lese etwas, was etwas ‹Unaussprechliches› hat. Ich werde ganz mild und eine bestimmte Seelenverfassung tritt ein: eine Liebe wird in mir frei. Ich kann nicht sagen, warum.
Die sieben kleinen Farbkarten benennt Stéphane mit ‹7er-Evolution aus Spektral-Bewusstsein› und fügt dann überraschend hinzu: «Du kannst es aber einfach auch als Maskenball sehen. Die Karten selbst neu mischen, ihnen deine eigene Abfolge geben.» Die kleinen Farbkarten und handschriftlichen Lyriken in diesem Notizbuch künden von etwas, mehr wollen sie nicht. Sie lassen den Betrachter, den Lesenden frei, darin zu lesen oder zu sehen, was er will. Und doch liegt eine Exaktheit in ihnen. Die Lyriken erzählen von Farben in Zusammenhang zu Weltverhältnissen und Ichverhältnissen. Ich werde still. Mehr ahnungshaft tastend betrete ich geistige Räume, Farbräume, Lichträume und habe manchmal das Empfinden, davon ganz umhüllt bleiben zu wollen.
Was meint ‹Nachbildstille›? «‹Nachbildstille› ist ein Schlüsselbegriff, den man im Alltag oder auch auf künstlerische Objekte anwenden kann. Was für einen Nachklang gibt mir etwas innen? Das ist sehr interessant. Erstens gibt es großen Aufschluss über die Selbstbeobachtung und Selbsterfahrung, aber auch über Qualitätserlebnisse sinnlicher und nichtsinnlicher Art. Dort hebt sich der Unterschied irgendwann auf. Es braucht einen freien Geist und eine bestimmte Schulung7, damit man es als das erkennt. Auch beinhaltet ‹Nachbildstille› nicht nur den Nachklang aller Schönheit von Welten und Seelen, dass kein Missverständnis aufkommt, sondern auch den Schmerz allen Seins und Werdens.»
Ich bemerke in unserem Gespräch, wie eine Sprachlosigkeit in mir auftaucht, die mich nicht ängstigt. Sie hat etwas Wahres. Ich bemerke, wie ich nicht mehr verallgemeinern kann. Es geht um den eigenen Erfahrungsraum, den jeder nur selbst betreten kann. Wie der Weg zur ‹Nachbildstille› wird, findet man in Form von Poesie. Wovon dieses zweite Notizbuch spricht, kann Stéphane allerdings exakt benennen: «In diesem Heft erwacht das Innere in der Nichtbildsphäre. Das Ich setzt sich voll bewusst vorstellungsfrei. Neue Qualitäten scheinen auf wie Empathie und Poesie im Alltag.»
Lichtblatt
«Für viele Menschen wirken meine Arbeiten abstrakt.8 Aber sie sind ein ganz konkreter Raum. Sie sehen nur scheinbar abstrakt aus.» Der dritte Band der Notizbücher, ‹Lichtblatt›, enthält keine Sprachkunst mehr. Er ist farbig, etwa A-4-formatig und im Hauptfarbton Cadmium-Gelb. Kleine Beschriftungen unter den Bildern, die wissenschaftlich klingen: ‹Spektralbewusstsein, Osiris-Zersplitterung, Bewusstseins-Briks9›. Die Drehpunkte der Bewusstseinsentwicklung, kosmische Felder, evolutionäre Systeme sind bei Stéphane immer auf großes Interesse gestoßen. «Jede Bewusstseinsstufe hat ganz bestimmte Werte, die auch verteidigt werden. Sie unterscheiden sich in Farben voneinander. Und für jede Bewusstseinsschicht ist eine bestimmte Art von Theoriebildung wesentlich und richtig. Die Weltenkraft ist geschichtet, so auch unsere Bewusstseinsentwicklung.» Etwas schwingt in den Bildern, am deutlichsten zu erleben natürlich in den großformatigen Originalen. Auch hier wieder Klang. Das ‹Lichtblatt› ist immer der Untergrund dessen, was in den Bildern des dritten Notizbuches geschieht. Dem voraus gingen persönliche Erlebnisse in dieser Sphäre, dann die Frage der Umsetzung und die Frage danach, wie man den Betrachtenden mit einbeziehen kann, sodass er es nicht etwa ‹nur voll serviert› bekommt.10 Die ‹Lichtblatt›-Arbeiten bestehen aus einem gelbgeschichteten pulsierend-geistigen Feld, das in ständiger Verwandlung ist. Sie versuchen, durch eine gestaffelte Schichtung mit doppelt gebogenen Flächen in bestimmter Wiederholung die verwandelten Lebenskräfte als ‹Substanzabstraktion› künstlerisch ins Erlebnis zu bringen. Das ‹Lichtblatt› ist eine Urkraft, möglicherweise ein Urbild, ein Archetypus, eine Bewusstseinssubstanz, poetisch von Stéphane als ‹Lichtblatt› benannt. Es ist das Ende seiner Arbeit und doch beginnt dort immer auch wieder sein Anfang. «Die Schwierigkeit für den Maler ist, dass er ‹umsetzen› möchte, ohne einem übersinnlichen Naturalismus zu verfallen. Das setzt ein gewisses Abstraktionsvermögen voraus, vom ‹betrachtend-Schaffenden› und dem ‹schaffend-Betrachtenden›.» Unbefangene Menschen sagen zu den reinen ‹Lichtblatt›-Arbeiten gar nicht Bild, sondern umschreiben es als Energie. Ein eher abgekühltes Gelb hat der Maler gewählt, um dem Betrachter Zeit zu lassen, z. B. die feinen, vorerst nicht sichtbaren Komplementärfarben zu erleben und im ‹Nachmitschaffen› sich selbst an die Substanz anzunähern. Das Gelb ist nur ein Hilfsmittel. Die Bewegungsstruktur ist das Wesentliche. Somit ist das ‹Lichtblatt› kein ‹fertiges› Bild. «Man könnte auch parallel dazu meinen, dass es eigentlich fast wie ein Nichts ist, die Farbflächen, wo Farbe relativ formlos11, aber leuchtend aufgetragen ist.»
Die Parameter, das zu erleben und zu beurteilen, sind meine eigene Wahrnehmung und meine Begriffe, also alles was in mir anklingt, wenn ich Werke betrachte und Lyriken lese. Ich ‹verstehe› etwas von der geistigen Welt, was nicht über Symbolismen oder Bildhaftigkeit vermittelt wird. Daraus resultiert meine Zuneigung zu dem Menschen, der das gewagt hat und dabei so ganz bescheiden ist. Diese seine stille, zurückgezogene, unbemerkte Arbeit von Jahren kommt in den ‹Notizbüchern› zur Erscheinung. Man hat je ein ‹Buchkunstwerk›, das reproduzierbar geworden ist. Diese Reproduzierbarkeit bringt das Medium mit sich. Wer eines anschauen oder erwerben möchte, kann gern mit dem Künstler in Kontakt treten. Er wird einen weisheitsweißen, offenen, nicht bewertenden, ruhigen alten Herrn finden, der langsam lächelt, dessen Augen aber äußerst wach sind.
Kontakt Stéphane Zwahlen,
In den Zielbäumen 12, 4143 Dornach, Schweiz
Alle Fotos von Duilio A. Martins.
1 Aus: Die Drei 7/8, Juli/August 1989: «Alle 23 Lehrgangsskizzen gehören zusammen und sind ein Organismus, ich habe sie von Anfang an in genauer Reihenfolge gemalt und unterrichtet […].» Henni Geck, neun Jahre Schnitzerin am ersten Goetheanumbau. Sie hat außerdem den ‹Weltenhumor› und den belebten Raum hinter dem Menschheitsrepräsentanten geschnitzt. Referenz W. Roggenkamp und H. Lienhard.
2 Aus: Rudolf Steiner, Theosopohie, tb 615, S. 152 f.: «[…] rückhaltlose, unbefangene Hingabe an dasjenige, was das Menschenleben oder auch die außermenschliche Welt offenbaren. Wer von vornherein mit dem Urteil, das er aus dem bisherigen Leben mitbringt, an eine Tatsache der Welt herantritt, der verschließt sich durch solches Urteil […].
3 Aus: Rudolf Steiner, Theosophie, tb 615, S. 106: «In der wirklichen ‹Welt des Geistes› sind solche Urbilder für alle Dinge vorhanden, und die physischen Dinge und Wesenheiten sind Nachbilder dieser Urbilder.» Ebd.: «[…] dass die Urbildwelt eine weitaus intensivere Wirklichkeit hat als die sinnlich-physische.» Ebd., S. 107: «Denn die Urbilder in ihrer wahren Gestalt sind ihren sinnlichen Nachbildern sehr unähnlich. Ebenso unähnlich sind sie aber auch ihren Schatten, den abstrakten Gedanken.»
4 Aus: Rudolf Steiner, Theosophie, tb 615, S. 162: «Solange man persönlich mit der Welt lebt, solange enthüllen die Dinge auch nur das, was sie mit unserer Persönlichkeit verknüpft, das aber ist ihr Vergängliches.»
5 Ebd, S. 163: «[…] leben wir mit unserem Selbstgefühl, mit unserem ‹Ich› in unserem Bleibenden, dann werden die vergänglichen Teile an uns zu Vermittlern; und was sich durch sie enthüllt, das ist ein Unvergängliches, ein Ewiges an den Dingen.»
6 Zum Beispiel die Bodeninitiative Confoedera Dornach, worin Stéphanes Atelierhaus in die Stiftung integriert worden ist.
7 Aus: Rudolf Steiner, Theosophie, tb 615, S. 153: «Der Lernende muss in jedem Augenblicke sich zum leeren Gefäß machen können, in das die fremde Welt einfließt.»
8 Paul Klee, Juli 1917, Nr. 1081. Tagebücher 1898–1918, Köln 1958: «Wir forschen im Formalen um des Ausdrucks willen. Und nun sah ich gar keine abstrakte Kunst mehr. Nur die Abstraktion vom Vergänglichen blieb. Der Gegenstand war die Welt, wenn auch nicht diese sichtbare.»
9 ‹Bewusstseins-Briks› (16 × 32 cm) kommentiert die Situation künstlerisch, dass wir stets ein dreifach geschichtetes Bewusstseinspotenzial leben. Untere Schicht: das Reaktionsmuster selbstbezogener Empfindungsseelen-Anteile. Mittig: das kombinierende Tagesbewusstsein. Darüber Ebenen der Zukunftspotenziale: Imagination, Inspiration, Intuition. Und eine durch alle drei Schichten durchgehende Grundierung von doppelt gebogenen Flächen.
10 Aus: Rudolf Steiner, Der Zusammenhang des Menschen mit der elementarischen Welt, ga 158, S. 127 f.: «Das Prinzip unseres Baues ist das eines Gugelhupftopfes. […] Es kommt nicht auf den Topf an, sondern es kommt auf den Kuchen an, dass der eine richtige Form bekommt. […] Und das ist das Prinzip, sehen Sie, der neueren Kunst gegenüber der alten Kunst. […] Das gilt nicht nur in Bezug auf plastische Formen, sondern auch in Bezug auf Malerei. Es kommt auch da nicht darauf an, was gemalt wird, sondern was dabei empfunden und erlebt wird. Auch die Malerei ist bloß ‹Gugelhupftopf›. Das ist, möchte ich sagen, der Kernpunkt des Evolutionsfortschrittes, in dem wir darinnenstehen, dass wir wirklich – verzeihen Sie den Ausdruck – aus dem Topf in den Kuchen hineinkommen.»
11 Aus: Rudolf Steiner, Theosophie, 5. Auflage, Leipzig 1910, Kap. Die drei Welten, 3. Das Geistesland, S. 114 (fehlt in den neueren Ausgaben): «(Man hat deshalb in der theosophischen Literatur diese drei oberen Regionen des ‹Geisterlandes› die Arupa-Abteilungen genannt, im Gegensatz zu den vier unteren, welche Rupa-Regionen hießen. Arupa ist ‹formlos›; rupa ist ‹geformt›.)»
Ergänzung St. Zwahlen: Analog dazu kann der künstlerische Schaffensprozess so gesehen werden: Aus dem Formlosen (Arupa) absteigend zur Formenwelt (Rupa) und mit verwandelter Individual-Form wiederum aufsteigend zu Arupa. Das entwickelte Ich entscheidet, wie bewusst ‹absteigend/aufsteigend› und wo auf welcher Ebene das ‹Gemälde› parkiert wird. (Alle Anmerkungen zusammengestellt von St. Zwahlen.)