Vom Labor zum Altar

Wie können wir Substanz verwandeln, um im Menschen weiterführende Prozesse anzustoßen? Diese alchimistische Frage beschäftigt den Pharmazeuten Wolfram Engel wie den Priester Tomáš Boněk. Sie gaben einen gemeinsamen Beitrag über den Dreischritt von Werden, Sterben und Auferstehen der Substanz in ihrer Arbeit.


Zu Beginn beschreibt Wolfram Engel Rudolf Steiners Hinweis, dass wir die mineralische Welt transformieren müssten – sie in uns aufnehmen und vom Festen zum Flüssigen bis ins Wärme-Ätherische bringen. Diese Arbeit sei notwendig, damit «die Elementargeister in der menschlichen Organisation ihre Arbeit den höheren Hierarchien übergeben können». So werde auch im Labor zum Beispiel Kupfer erhitzt, geschmolzen, verdampft und als glänzender Metallspiegel wiederum in Erscheinung gebracht, das Cuprum metallicum praeparatum. In diesem Vorgang wird das Metall durch den pharmazeutischen Prozess wieder seiner kosmischen Heimat zugeführt, nachdem es auf der Erde auf sein eigenes Leben verzichtet hatte. Es ist ein Opfer, das die Mineralien für die Ichentwicklung des Menschen auf der Erde bringen. Der Laborprozess wirkt darum auf sie wie eine Verjüngung oder Dynamisierung, so Engel. Ein anderes Beispiel aus der Pharmazie bezieht sich auf die Pflanzenwelt, die in sich Lebens- und Todesprozesse hat. So sieht man die Entsprechung im Jahreslauf im Übergang vom sulfurischen Hochsommer zum salzartigen Winter, der vom Samenprozess der Pflanze getragen wird, den Rudolf Steiner mit dem Aschebildungsprozess verglich. Denn in dem Samen wie in der Asche liege etwas Keimartiges. Das Überführen der gewordenen Pflanzenstofflichkeit im Feuer zur amorphen Asche führt auch hier zu einer erneuten Öffnung für das Lebensätherische und die kosmischen Impulse, also für die Zukunft. Als drittes Beispiel aus der Pharmazie weist Engel darauf hin, dass auch die in der Erde erstorben Metalle in sich selbst einen Keimzustand tragen, den die Pharmazeutin oder der Pharmazeut fördern kann. Dabei werden, eine Anregung Rudolf Steiners aufgreifend, Metalle zunächst im Labor aufgeschlossen und dann gezielt dem Boden zugeführt, in dem bestimmte Pflanzen wachsen – zum Beispiel wird ein «Kupferdünger» zur kupferaffinen Kamille gebracht – und dann kann die Pflanze das Metall über die Wurzeln aufnehmen und durch ihren Lebensprozess ins Grün und in die Blüten heben. So ersteht das Metall durch den Ätherleib der Pflanze wieder auf, wird ‹vegetabilisiert› und kann dabei mit kosmischen Umkreiskräften in Verbindung kommen. Die Pharmazie steht mit ihrer Tätigkeit mitten in Werde-, Todes- und Auferstehungsprozessen. Die Metalldestillation kann als Bekräftigung der vatergöttlichen Schöpfung gesehen werden, in den Ascheprozessen lebt der allgegenwärtige Rhythmus von Stirb und Werde, die Vegetabilisierung zielt auf eine Vergeistigung der Erde in weiter Zukunft.

Im Samen wie in der Asche liegt etwas Keimartiges.

Diese Handlungen im Labor führen zu Arzneimitteln, die den Menschen beim Aufstieg zum schöpferisch tätigen Wesen in der zukünftigen Inkarnation der Erde begleiten. Dann werden wir uns als zehnte Hierarchie den vorangegangenen höheren Hierarchien anschließen und den Namen ‹Geist der Freiheit› oder ‹Geist der Liebe› erhalten. Vor diesem Hintergrund gewinnt das jeder Dezimalpotenz zugrunde liegende ‹1+9› einen noch viel tieferen Sinn. Engel schließt mit den Gedanken: «Pharmazeutische Prozesse führen durch den Tod und haben als Ziel die Wiederbelebung auf einer anderen Stufe. Wir wollen nicht die Natur kopieren oder konservieren, sondern weiterentwickeln. Der Pharmazeut opfert am Altar der Natur, um die Geistigkeit des Elementarischen und – sofern wir darum bitten dürfen – auch der Wesen, die uns vorangegangen sind, in die Substanzen, die wir bearbeiten, hereinzuholen, im Interesse der erkrankten Menschen und der erkrankten Menschheit.»

Foto: Xue Li

Die Substanz in Kultus und Pharmazie

Daran schließt Tomáš Boněk, Priester der Christengemeinschaft, mit seiner Betrachtung der Substanzen, die im Kultus eine Rolle spielen, an. In der Taufe werden geweihtes Wasser, Salz und Asche verwendet. Was am Altar, im Kultus geschieht, sei wirklicher als das bloß Physische, denn als Physis ist der Stoff vergänglich, jedoch im Kultus liegt, laut Steiner, eine Wirklichkeit, die die Zukunft der Erde schafft. Die Wirksamkeit der Substanzen wird im Kultus dabei anders als in der Pharmazie über das gesprochene Wort gegeben. Gleich ist jedoch, dass der Ansatz der Weihe auch einer der Rückführung der Stoffe zu ihrem eigenen Anfang ist. So wird das Wasser durch die Worte der Weihe mit seinem eigenen Ursprung verbunden: der Kraft der ewigen Erneuerung. In der pastoralmedizinischen Arbeit hat das Öl die Ursprungskraft, unsere Liebe der Erde, den Mitmenschen, dem eigenen Leib gegenüber geneigt zu machen. Die Asche wird eingesetzt – und da zeigt sich wiederum eine Parallele zur Pharmazie –, um von dem Erbe der Sünde, der ‹Sündenkrankheit›, zu heilen und uns an der Grenze von Astral- und Ätherleib wieder für den Christus zu öffnen. Die Menschenweihehandlung ist da, um den Christus in uns zu beleben und «das Licht, die Menschen und die Stoffeswelt zu segnen – und in dieser Arbeit sind wir vereint», endet Boněk.

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