Nachdem vor zwei Jahren in der Schweiz über die Einführung eines Grundeinkommens abgestimmt wurde, steht jetzt eine Entscheidung über das Vollgeld vor der Abstimmung. Beim Vollgeld geht es um die Frage, wer das Recht hat, das Geld herzustellen.
Während früher nur die Nationalbank das Privileg hatte, Geld in Umlauf zu bringen, können das heute auch die Geschäftsbanken in der Form von elektronischem Buchungsgeld. Obwohl die Initiative für ein Vollgeld auf den ersten Blick nicht viel mit dem bedingungslosen Grundeinkommen zu tun hat, werden bei näherem Hinsehen die Berührungspunkte deutlich.
Wer das Grundeinkommen nur als Fortentwicklung staatlicher Wohlfahrt versteht, hat etwas Wesentliches nicht verstanden: die sozialen Spaltungsprozesse, die unserer Geldordnung immanent sind. Indem die Geschäftsbanken Geld herstellen, zum Beispiel, wenn sie Kredite als Sichteinlagen vergeben, also als täglich fällige Forderungen auf Zahlungsverkehrskonten, haben sie die Möglichkeit, mit dem geschaffenen Geld zum Beispiel Finanzprodukte und Immobilien zu kaufen. Das hat zu Wettbewerbsverzerrung, Finanzblasen und Bankenrettungen geführt, mit dem Effekt, dass die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer wird – nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit.
Die Untersuchungen zum Thema sind eindeutig. In Deutschland zum Beispiel besitzen die 45 Reichsten – gemäß einer neuen Studie des Hilfswerks Oxfam und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) – so viel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung. Weltweit besitzen 42 Milliardäre so viel wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung. Das alles klingt zunächst etwas abstrakt, und doch prägt es unseren Alltag: Viele junge Familien sind, um sich einen eigenen Wohnraum leisten zu können, auf ein Erbe angewiesen, aus der eigenen Hände Arbeit ist es für sie kaum zu schaffen. In fast allen großen Städten steigen die Preise für Wohnraum schneller als die Einkommen. Das hat zu einer Notsituation geführt, die immer wieder in Proteste umschlägt, zum Teil auch in Hausbesetzungen, die gewaltsam enden. Einige Politiker haben das Problem erkannt und versuchen, durch Lösungen wie zum Beispiel eine Mietbremse der Not beizukommen, allerdings ungefähr so erfolgreich, wie wenn man dem Wolf die Vorzüge des Vegetarismus predigt. Mietbremsen haben sich überall als weitgehend wirkungslos erwiesen. Nein, es geht darum, das Problem an der Wurzel zu packen und die unkontrollierte Geldschöpfung zu bremsen und zu gestalten.
Die Art, wie Geld entsteht, ist wenig bekannt und die Beschäftigung mit dem Thema ist manchen eher lästig. Dagegen kämpft die Initiative für ein Vollgeld an. In der Tat sind die Mechanismen der Geldschöpfung schwer zu durchschauen und nicht leicht zu verstehen. Das darf aber kein Grund sein, sich nicht mit dieser Frage zu beschäftigen. Wir können hellhörig werden, wenn wir hören, dass die Schweizer Nationalbank im Jahr 2017 einen Gewinn von 54 Milliarden Franken hatte (für jeden der 8,2 Millionen Schweizer wären es rund 6600 Franken), oder wenn bekannt wird, dass die Bilanzsumme der Europäischen Zentralbank die 4-Billionen-Euro-Grenze erreicht hat. Ja, so fragt man sich, wo geht das Geld eigentlich hin? Einleuchtend ist allemal, dass das Geld nicht für die Finanzmärkte geschöpft werden sollte, sondern für die Realwirtschaft – ein zentrales Anliegen der Initiative. Heute fließt nur etwa ein Fünftel des hergestellten Geldes in die Realwirtschaft. Damit neues Geld in die Realwirtschaft fließt, sieht die Vollgeld-Initiative vor, dass nur die Nationalbank neues Geld herstellen und bei Bedarf direkt an Bund, Kantone oder an die Bürgerinnen und Bürger ausbezahlen kann.
Da berührt sich die Vollgeld-Initiative mit dem Konzept des bedingungslosen Grundeinkommens. Das Geld sollte nicht über Zins und Kredite zu demjenigen fließen, der schon hat, sondern zu jedem Menschen, dessen Natur es ja gerade ist, Bedürfnisse zu haben. Beide Initiativen, Vollgeld und Grundeinkommen, sind zusammenzuschauen. Ihnen ist gemeinsam, dass sie offensichtliche Fehlentwicklungen korrigieren wollen. Man mag einwenden: Mit dem Grundeinkommen könnte die Nachfrage nach Wohnraum weiter steigen und das könnte die Preise für Mieten und Immobilien noch weiter in die Höhe treiben. Dem ist zu entgegnen, dass dann zumindest alle auf dem Markt ähnlich lange Spieße haben, allein schon dadurch, dass weniger Gelder für die Spekulation mit Grund und Boden zur Verfügung steht.
Etwas an der Geldordnung zu ändern, ist heikel wie eine Operation am offenen Herzen, was vermuten lässt, dass die Initiative abgelehnt wird. Auch die AHV (Alters- und Hinterlassenenversicherung) wurde in der Schweiz in den Dreißigerjahren vom Volk abgelehnt und dann nach einer Abstimmung 1947 eingeführt. Mit dem bedingungslosen Grundeinkommen und dem Vollgeld wird es vermutlich ähnlich verlaufen: Zunächst abgelehnt, wird es sich in Zukunft einmal durchsetzen, denn beide sind ein Gebot der Vernunft. Auf alle Fälle werden wir aber nicht umhinkommen, diese wichtigen Fragen auch in Zukunft weiter zu bewegen und dabei die ungeklärten Punkte – die es natürlich in beiden Initiativen noch gibt – zu klären.
Bild: Igor Ovsyannykov