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Ricardo Pereira ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Field Centre in Ruskin Mill, wo er über solidarische Landwirtschaft forscht. Charles Cross sprach mit ihm über die Rolle von Spiritualität in der Landwirtschaft, das Gefühl der Konsumenten und Konsumentinnen, eine gute Idee zu unterstützen, und die kulturelle Sphäre der Solidarität.


Worum geht es im Field Centre von Ruskin Mill?

Das Field Centre ist das Forschungsinstitut, an dem Mitarbeitende promovieren oder ihren Master machen. In den Masterstudiengängen geht es eher darum, die Ruskin-Mill-Methode für Mitarbeitende oder Außenstehende zu entwickeln. Bei den Doktorarbeiten investiert der Trägerverband Ruskin Mill Trust in Forschungsaspekte unserer eigenen Arbeit, die noch nicht vollständig erforscht sind. Es geht um externe Anerkennung und darum, Geisteswissenschaft einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Zum Beispiel, was bedeutet es, wenn ich mit einem Menschen, der keine Verbindung zur Anthroposophie hat, über den Ätherleib spreche?

Ricardo Pereira

Woran arbeitest du in deinem Projekt?

Bei meiner Forschung geht es spezifisch um solidarische Landwirtschaft und die zwölf Ruskin-Mill-Einrichtungen. Jede Einrichtung verfügt über einen biodynamischen Garten oder Bauernhof, die hauptsächlich dazu dienen, unsere Studierenden mit biodynamischen Lebensmitteln zu versorgen und ihnen eine Ernährung für Körper und Seele zu bieten. Ruskin Mill hat so viel Land, dass das darüber hinaus auch einer weiteren Gemeinschaft zugutekommen kann. Solidarische Landwirtschaft (Community Supported Agriculture, CSA) ist ein Modell, das Landwirtschaft vom Markt und vom Marktdenken trennen will, ihre Produkte dekommodifizieren möchte, also sie aus der Handhabung als Massenartikel befreien will. Nicht der Wert des Landes bzw. der Preis von Möhren sollen im Zentrum stehen, sondern das Verhältnis zwischen den Bauernhöfen und der Gemeinschaft, die von ihnen versorgt wird. Bäuerinnen und Bauern tun einfach das, was nötig ist, damit die landwirtschaftlichen Produkte wachsen und gedeihen, und man findet Wege, ihnen das zu ermöglichen. Aber es geht auch um den Austausch zwischen Ruskin Mill und der weiteren Öffentlichkeit und darum, dass man sagen kann: Das tun wir und mehr Menschen können davon profitieren. Man lädt die Menschen ein, auf den Hof zu kommen und sich tiefer mit der Natur zu verbinden, denn eine der wichtigsten Antworten, wenn nicht die wichtigste Antwort auf alles, was in der Welt vorgeht, liegt darin, das Verhältnis zwischen Menschen und Natur zu fördern. Das hat eine zutiefst spirituelle Seite, weil wir uns weit vom Göttlichen, vom Kosmos, von der Natur entfernt haben.

Ich untersuche, welche Rolle Spiritualität in der Landwirtschaft spielt. Dabei untersuche ich den ersten CSA-Hof der Welt, die Temple-Wilton Community Farm in New Hampshire (US), die zur gleichen Zeit gegründet wurde wie die Indian Line Farm in Massachusetts (US). Hervorgegangen sind beide aus einem rein geistigen Impuls: Rudolf Steiners sozialer Dreigliederung. Durch sie kann die Biodynamik eine Kraft für das Gute in der Welt sein und erlebbar machen, dass Mensch und Natur zur gleichen Realität gehören. Die solidarische Landwirtschaft begann mit diesem besonderen Dreigliederungsmodell und dem Verständnis von Spiritualität und Landwirtschaft, obwohl viele CSAs heute dazu keinen Bezug mehr haben. Dennoch können dieses Verständnis und das Modell wieder aufgegriffen werden. Sie sind nichts Abgehobenes, sondern in der Tat äußerst pragmatisch, wenn sie im richtigen Zusammenhang mit den richtigen Menschen und Zielen eingesetzt werden.

Heute gibt es Tausende von CSAs in Amerika, Großbritannien und vielen anderen Teilen der Welt. Es handelt sich hier um ein wegweisendes und wirksames, harmonisierendes Konzept. Man kann CSAs natürlich als wirtschaftliche Betriebe sehen, aber damit wird man ihnen nicht gerecht. Ich versuche auch, ihre Wirkung auf den Menschen zu verstehen, ihren geistigen Wert. CSA-Mitglieder bezahlen einen bestimmten Betrag im Monat oder Jahr und dafür bekommen sie jede Woche ihr Gemüse. Man kann das wirtschaftlich betrachten: Ist es teurer als im Supermarkt? Ist es von besserer Qualität? Wenn man biodynamische Produkte isst, ist der Wert weit größer als das, was sich im Supermarkt auf der Waage ablesen lässt. Mitglieder finden darüber hinaus, dass sie etwas unterstützen und ihre Zeit bewusst investieren. Anders ausgedrückt, sie investieren in diese Idee. Sie können auch noch einen Schritt weitergehen und sagen: «Eigentlich unterstütze ich keinen Bauernhof, sondern ich unterstütze mich selbst, indem ich einen Hof unterstütze, der wiederum zu meinem leiblichen und seelischen Wohl beiträgt.» Darum geht es kurz gesagt in meiner Doktorarbeit.

Goetheanistischer Unterricht im Field Centre

Mein Bruder ist ein großer Fan der CSAs, obwohl er nichts mit Anthroposophie zu tun hat. Es hat spirituelle Qualität, wenn man eine Beziehung zu seinen Nahrungsmitteln entwickelt und einen Hof unterstützt, der übersehen wird, wenn es nur um wirtschaftliche Aspekte geht.

Bei der solidarischen Landwirtschaft ist das Solidarische, also der Gemeinschaftsaspekt, essenziell. Er repräsentiert die kulturelle Sphäre in Steiners Idee von der sozialen Dreigliederung, die Sphäre, die individuelle Kreativität ermöglicht – freies Geistesleben in anderen Worten. Wenn eine CSA also lediglich ein wirtschaftlicher Betrieb wäre, könnte es keine Gemeinschaftsbildung auf Grundlage des Freiheitsprinzips geben. Das aber ist das Ausschlaggebende. Wenn ich einfach zum Supermarkt gehe, um Gemüse zu kaufen, habe ich keine Gelegenheit zum Austausch mit Menschen, die vielleicht daran interessiert sind, mich zu unterstützen. Dieses Interesse nährt den gesamten Prozess. Es wärmt das Herz der Bäuerin oder des Bauern, die diese Wärme an das Land zurückgeben, und das Land gibt ihnen etwas zurück. So wissen die Mitglieder der Gemeinschaft sowohl die Produkte als auch die Arbeit der Bäuerin, des Bauern, gebührend zu schätzen. Man kann so ein Bewusstsein dafür entwickeln, dass wir mit allem, was wir tun, verbunden sind. Die Entscheidung, wie wir uns ernähren wollen, ist wichtig, weil sie so vieles einschließt. Solidarische Landwirtschaft ist ein Mikrokosmos dessen, was sein könnte, wenn die Menschen sich mit der Natur und mit dem Land verbunden fühlten. Indigene Völker hatten diese Verbundenheit immer und haben sie auch heute noch. Ihr Landbau ist erfolgreich, weil sie stets die Natur im Blick haben. Für sie gilt: «Ich bin Teil der Natur und ich bin Teil dieser Landschaft. Deshalb tue ich das, was die Landschaft von mir braucht, damit sie gedeihen kann, und ich kann dann ihre reichen Früchte ernten.»

Schafschur mit Schülern in Ruskin Mill

Das CSA-Modell kann angepasst und so weltweit eingesetzt werden, aber es braucht einen bestimmten Ort und eine bestimmte Gemeinschaft, damit die Menschen ortsbezogener denken lernen.

Und alles Geld, was investiert wird, bleibt vor Ort! Es gibt keine Mittelsleute: Idealerweise geht man zu einem Hof, holt sich sein Gemüse ab und hat diese Verbindung. Es ist ein ganz einfaches Tauschprinzip. Keiner verdient an dir oder an dem Hof, und es wird auch hoffentlich niemand ausgebeutet. Die Bedürfnisse der Bäuerinnen und Bauern werden berücksichtigt – sie haben eine Altersversorgung und alles wird von vornherein gut durchdacht. Wenn man für sein Gemüse bezahlt, sind all diese Überlegungen eingeschlossen. Das Wichtigste an diesen Gemeinschaften ist, dass wir über die Landwirtschaft kulturelle Inseln schaffen, denn ein Bauernhof ist tatsächlich eine Universität der Zukunft. Auf einem Bauernhof kann man über alle Facetten des Lebens und des Kosmos etwas lernen. Hier in Ruskin Mill lernen unsere Studierenden, wie man Dinge wiegt und alle möglichen natürlichen Rhythmen entdeckt. Das müssen sie dann aufschreiben. Intellektuelle Fähigkeiten werden auch bei Studierenden mit Lernschwierigkeiten gefördert. Sie sind eingeladen, Teil des kosmischen Dialogs zu sein, der durch den Bauernhof ermöglicht wird.

Das ist ein wunderbares Geschenk, das der Welt durch die Anthroposophie zugekommen ist. Vielleicht gibt es noch mehr solche Geschenke, besonders von Ruskin Mill aus, die sich verbreiten und Menschen befeuern können.

Für Ruskin Mill ist eine der wichtigsten Aufgaben, die hier ausgeübten handwerklichen Tätigkeiten zu erklären, nicht als Anleitung, sondern als Beispiel für etwas, das sich natürlich ergeben kann. In Ruskin Mill wird Geisteswissenschaft in die Praxis umgesetzt, wenn z. B. jemand mit eigenen Händen einen Stuhl fertigt und dazu Holz aus dem von uns bewirtschafteten Wald benutzt. So erleben unsere Studierenden den ganzen Kreislauf, angefangen vom Fällen und Verarbeiten der Bäume. Das gleiche gilt für den Bauernhof: Die Studierenden bringen Saaten aus und ernten das Gemüse, das sie dann selbst verbrauchen oder im Laden verkaufen. Der ganze Kreislauf des Lebens, das Leben selbst, ist hier abgebildet. Indem man etwas aus diesen Materialien herstellt oder sich von ihnen ernährt, erkennt man sich, solange man dies bewusst tut, als Teil des Kreislaufes, in dem man eine Rolle spielt. Ruskin Mill geht es darum, diese Möglichkeit zu teilen: dass Geisteswissenschaft zum Wohl der Menschen eingesetzt werden kann, die sie brauchen.


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Übersetzung Margot M. Saar
Titelbild Das Field Centre von außen
Alle Fotos freundlicherweise zur Verfügung gestellt von The Ruskin Mill Trust

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