«Ich träumte davon, als erste schwarze Rock-and-Roll-Sängerin Stadien zu füllen wie die Stones!», erinnert sich Tina Turner, und ihr Traum ging auf.
Ihr letztes Konzert gab sie nach 89 Auftritten in 46 Städten vor über einer Million Zuhörerinnen und Zuhörern am 5. Mai 2009 auf der Bühne in London. Es war das Ende einer einzigartigen 50-jährigen Bühnenkarriere. Am 23. Mai ist die große Rocksängerin nun in Zürich mit 83 Jahren gestorben. 1981 enthüllt Tina Turner in der Zeitschrift ‹People› erstmals die schweren Misshandlungen, die sie durch ihren Ex-Mann, den Musiker Ike Turner, erfährt. Auch die Kinoverfilmungen ihres Lebens 1993 und 2021 dokumentieren Gewalt und Vergewaltigungen, denen die Sängerin ausgeliefert war. Erst nach 14 Jahren mithilfe des Studiums buddhistischer Lehren vermag sich die Sängerin von den brutalen Fängen zu befreien. In einem Interview in ihrer Zürcher Villa sagt sie, dass sie ein Leben in Gewalt durchlitten habe und nicht aufhörte, vom Täter zu träumen, gleichwohl aber nicht auf dieses Leiden zementiert werden wolle.
Die Verstärker, die Lautsprecher- und Scheinwerferwände machen möglich, den Willen von 50 000 Menschen in die Kehle der kaum 1,60 Meter großen Tina Turner zu konzentrieren. Ihr Befreiungsschrei um Liebe und Freiheit wird zum Ruf aller im Stadionrund. Das ist die Magie der Rockmusik. Bei Tina Turner ist ihr Schrei noch größer: 43 Prozent aller Frauen in der so friedlich wirkenden Schweiz, so eine Studie von 2019 vom Dachverband der schweizerischen Frauenhäuser, haben häusliche Gewalt erlebt, kennen leiblich mehr oder weniger den Kreislauf von Demütigung, Gewalt und entschuldigenden Versprechungen. 43 Prozent, das heißt, jeder zweite oder dritte weibliche Gesang, Tanz und Lacher trotzt der persönlichen Erfahrung von Gewalt. Daran erinnern Tina Turners Tanz und Gesang.
Titelbild Tina Turner in Birmingham in 2009. Foto: Philip Spittle CC 2.0
Soso,43% der Frauen in der Schweiz haben also schon Gewalt etc. erlebt.
Ich bin 66, Schweizer.
Ich habe in meinem Leben ein einziges Mal eine Frau geschlagen (mit 22) wegen meiner damals roten Haaren.
Die Frau hat sich eine Woche später bei mir entschuldigt.
Ich denke, das ist kein Schweizer Proplem, sondern das ist ein Proplem der Männer.
Ganz zu Schweigen von Ländern wie Saudi Arabien, Iran, Afghanistan etc. oder einfach Ländern, wo Männer glauben, sie müssten den Frauen vorschreiben, was die Frauen zu tun oder zu lassen haben
Lieber Wolfgang,
das für mich Faszinierende an Tina Turner ist, das sie sich, eben diese Tina Turner, als eine von ihr erschaffene Bühnengestalt erlebte, in die sie als Künstlerin hineinschlüpfte – sich aber jeweils nach der anderen Seite ihres Wesens sehnte, das sich bei ihr in der Form einer praktizierende Buddhistin äußerte. Dieser „private“ Teil ihrer Lebensverwirklichung wurde von den Medien kaum wahrgenommen.
Die Dynamik dieser Gespaltenheit mit all ihren Zwischennuancen trug wohl sehr viel zu ihrem Charisma bei.
Lieber Herr Held,
Schön, dass auch ein Anthroposoph des Todes der Rocksängerin Tina Turner gedenkt und klar macht unter welchen Bedingungen hier ein Mensch gearbeitet und gelebt hat. Leider hat es zu Lebzeiten der Künstlerin das „Goetheanum“ nicht für notwendig erachtet, den Versuch zu machen, die Künstlerin und ihre Rockmusik zu verstehen oder sogar positiv zu bewerten.