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Stein des Lebens

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Aufmerksamkeit ist die seltenste und reinste Form der Großmut.[…] Diese Entdeckung ist das eigentliche Thema der Gralssage. Nur ein prädestiniertes Wesen hat die Fähigkeit, ein anderes zu fragen: «Welches Leiden quält dich?» Zu Beginn seines Lebens hat der Mensch diese Fähigkeit nicht. Er muss Jahre dunkler Nacht durchwandern, im Unglück umherirren, weit weg von allem, was er liebt, und mit dem Gefühl, verflucht zu sein. Aber am Ende von allem erhält er die Fähigkeit, eine solche Frage zu stellen, und im gleichen Augenblick ist der Stein des Lebens sein. Und er heilt das Leiden anderer.
— Simone Weil, ‹Le Bruit du temps›, Correspondance de Simone Weil à Joë Bousquet le 13 avril 1942. Übersetzung: S. Siber und L. Defèche

So genügen allgemeine Gebote und guter Wille nicht, um eine spirituelle Tugend zu entwickeln, sondern das Schicksal muss auch mitspielen und Prüfungen des Lebens müssen bestanden werden. Um den eigenen Weg bewusst zu finden, muss man geirrt haben. Um den anderen lieben zu können, muss man ihn verloren haben. Der ‹Stein des Lebens› wird in der ‹dunklen Nacht› geschliffen.

Louis Defèche


Zeichnung von Philipp Tok

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