So müssen wir heute pädagogisch handeln!

‹Es ist an der Zeit›, so überschreibt Wolfgang Wünsch seine kleine Denkschrift, die er uns kurz vor seinem Erdenabschied noch schnell druckfrisch übergibt – die Stafette weiterreichend. Jetzt seid ihr die Verantwortungsträger, jetzt mögt ihr danach handeln.


Wolfgang Wünsch verkörpert selbst nahezu ein Jahrhundert Lebenszeit – 1926 in Halle geboren, einen weitgewundenen Lebenspfad hinter sich lassend voller musikalischer Spuren, Keimlinge, Impulse, und immer neugierig, lauschend auf zarte Zeichen der Zeit, auf sich verändernde Botschaften der Kinder, auf musikalisch-pädagogische Gegenwartsbedürfnisse.

Wie bereits in seinen vorangegangenen Schriften ‹Menschenbildung durch Musik› und ‹Verstehen wir die Botschaften der Kinder?›, vermag Wünsch in klaren knappen Worten die Lesenden einzuladen, sich selbst in Bewegung zu bringen, und eh man sich’s versieht, befindet man sich erlebend in dem anwesend, was Worte gar nicht auszusprechen vermögen: Man gerät selbst in Schwingung und musikalische Bewegung. Unaussprechliches kann eben nur selbst erfahren werden – und danach handelte Wolfgang Wünsch in weiser Art. So hinterlässt er mit seiner unscheinbar erscheinenden kleinen Schrift eine große Botschaft: nämlich dass Musik da, wo sie wirklich in lebendig-spiritueller Weise zu wirken ansetzt, den Schleier zerreißt und uns in Gebiete jenseits von Schwellen und Grenzen einlässt. Ob wir darauf vorbereitet sind? Es sei die Musik selbst, die uns darauf vorzubereiten imstande sei.

Im unaufgeregten Plauderton nimmt uns Wolfgang Wünsch mit auf seine Wegspuren und zeigt auf, dass es an der Zeit ist, jetzt in einer viel schonungsloseren Art musikalisch zu handeln, als wir das vielleicht aus vertrauten (musik)pädagogischen Traditionen heraus noch eben taten. Ein geistreales Handeln mit klarem Bewusstsein für die Signale der Zeit, die ‹Fridays for Future› – oder besser ‹Fridays for Music› – sind zu bedenken, nein, mögen unmittelbar ins tägliche Handeln einfließen, mögen den Stil einer geistaktuellen Musik und Pädagogik bestimmen. Damit sind nicht neue Programme gemeint, sondern das Wahrnehmen und Ernstnehmen derjenigen Impulse, die von Jahrgang zu Jahrgang anschwellend durch die jungen Seelen in die Gegenwart getragen, erlauscht, ergriffen werden wollen. Auf knapp 50 Seiten steht nicht zu viel Text, werden nicht zu viele Worte gebraucht, um in eindringlicher Art auf diese Signale hinzuweisen, um in aufweckender Weise sie in sich selbst aufzuspüren. Und wir vernehmen unmittelbar die Botschaft von Wolfgang Wünsch darin, sein leise, aber dezidiert geäußerter Appell: Es ist an der Zeit – eine junge Generation sucht nach einem neuen Verhältnis zur Schöpfung – es geht um eine neue Haltung, einen neuen Stil, eine neue Gangart, ein neues Grundverständnis von Leben und Welt.

Schnell gelesen sind die Seiten – langes Nachhallen und Vibrieren ist die Wirkung davon: Mögen viele Ohren darauf hören, möge Wirkung davon ausströmen in unsere kuriose Coronazeit.


Buch Wolfgang Wünsch, Es ist an der Zeit, Edition Zwischentöne, Weilheim, 2020, ISBN 978-3-937518-37-4

Print Friendly, PDF & Email

Letzte Kommentare