Seit 22 Jahren besteht die Initiative Theater Total von Barbara Wollrath-Kramer. In jedem Jahr kommen circa 30 junge Menschen zwischen Schulende und erster Ausbildung im Ruhrgebiet zusammen, um von Künstlern zu lernen und sich selbst und anderen zu begegnen. In einem Jahr erarbeiten sich die Jugendlichen ein großes Theaterstück, eine Tournee und ihr selbständiges Leben.
Wie entstand das Projekt?
Ich habe das große Glück, bei Theater Total mit jedem neuen Jahrgang junger suchender Menschen immer von vorne anzufangen und damit alles immer wieder infrage stellen zu dürfen. Bis ich 38 Jahre alt wurde, hatte ich versucht, jede Begegnung mit einem Intendanten oder Regisseur zu nutzen, um mich als Schauspielerin ins rechte Licht zu rücken. Dann habe ich die Grenze von Leben und Tod erlebt und danach war alles anders. – Danach fragte ich mich: Was hast du denn bis jetzt Sinnvolles getan? Danach erst fing ich an zu begreifen, dass die Frage nach dem Sinn Türen öffnet … und dass man durch diese Türen gehen muss. Im Gehen kam mir dann die Idee von Theater Total!
Was müssen Sie in das Projekt einbringen und was lernen die Jugendlichen?
Mein ganzes Herzblut für jeden Menschen, der lernen will, Fragen hat und wissen will, ob und welcher Beruf für ihn der richtige ist, um schlussendlich die tiefsten persönlichen Ziele zu erreichen.
Zu 99 Prozent hat jeder Teilnehmer danach die richtigen Schritte unternommen für seinen persönlichen Weg. 25 Prozent gehen in staatliche Schauspielschulen und auf die Bühnen. Lina Beckmann, Deutsches Schauspielhaus Hamburg, schrieb mir: «Theater Total war für mich der Beginn, der Beginn meiner Entscheidungen und meiner Verantwortung. Es war das wichtigste Herausfinden und Sich-Erfinden. Ohne Theater Total wäre ich keine Schauspielerin geworden. Und das bin ich ausgesprochen gerne …»
Worauf arbeiten Sie in Zukunft hin, was suchen Sie?
Jedem Menschen helfen zu können, seine Zukunft zu gestalten und den Sinn im Leben zu finden.
Ich lebe, um zu lernen – und lerne, um zu leben. Der Schauspieler muss lernen, sich unter anderem in alle Sympathien und Antipathien hineinversetzen zu können. Unter anderem hat er die Aufgabe, sich klarzumachen, was ein Gefühl ist und wie Gefühle entstehen und vergehen. Schließlich muss er diese Gefühle glaubhaft in sich aufrufen und wieder zum Schweigen bringen können. Dann erst wirkt der Schauspieler wie ein Arzt und ist der Spiegel, in dem die Zuschauer ihre eigenen Gefühle selbst erkennen.
Mehr: www.theatertotal.de
Bild: Aus der Performance ‹Auf der Suche› 2011–2012 von Theater Total