‹Caraba› ist ein Spielfilm, der erzählt, was Bildung werden kann, wenn wir sie außerhalb der Institution Schule denken und anschauen.
«Reiche und Arme halten es für unverantwortlich, wenn man sich selbst kuriert; halten es für unzuverlässig, wenn man auf eigene Faust lernt; betrachten ein Organisieren des Gemeinwesens, wenn es nicht von Behörden finanziert wird, als eine Form von Aggression oder Staatsfeindlichkeit.» (Ivan Illich, Entschulung der Gesellschaft). «Institutionen sind ihrem Wesen nach so, dass sie freie Entwicklung verhindern», ist der Gedanke, den man anhand des gerade herauskommenden Films ‹Caraba› durchdenken kann. Vater dieses Gedankens ist der Sozialphilosoph Ivan Illich. Dessen Werk hat Bertrand Stern, Initiator des Films, fortgesetzt und in gewisser Hinsicht auch zugänglich gemacht durch ‹Caraba›. Es ist ein Spielfilm, der in fünf Episoden, d. h. Lebensläufen, erzählt, was Bildung sein kann, wenn wir sie außerhalb der Institution Schule denken bzw. anschauen.
Nach fast vier Jahren Arbeit sind nun Bertrand Stern, Produzent Joshua Conens und ein Team von ehrenamtlich engagierten Helfern auf Filmtour in 45 Orten Deutschlands, der Schweiz und Österreichs, um den Film zu präsentieren und darüber zu sprechen, was wir überhaupt unter Bildung verstehen und wie sich deren Zukunft gestalten lässt, wenn wir sie außerhalb von Institutionen denken. Alle Beteiligten sind sich einig, dass entmündigte Bildung ein Widerspruch in sich ist. Für Bertrand Stern ist die ethische Frage in Bezug auf unser Bildungswesen, ob wir Kinder für Menschen halten. Und wenn ja, warum glauben wir dann nicht, dass sie selbständig und eigen impulsiert lernen, sich aneignen können, was sie für ihr Leben brauchen? Der Film zeichnet bewusst als Spielfilm konzipiert auf poetische Art und Weise Möglichkeiten, die den Zuschauer eintauchen lassen in etwas, was immer gern als Utopie aufgefasst und abgetan wird.
Es gibt bereits einige Dokumentarfilme zum Thema Schule, Bildung und freies Lernen. Sie alle zeigen jedoch Exklusivitäten, bei denen die Masse nur sagen kann, dass die Betreffenden Glück gehabt haben und Einzelfälle sind, aber man selbst das nicht machen kann, weil man vielleicht zu sehr eingebettet ist in seine konkreten Kontexte. Insofern ist ‹Caraba› ein politischer Film. Die Macher des Films plädieren dafür, die Schulpflicht abzuschaffen, um gesellschaftlich einen Schritt voranzukommen. Jeder Lehrer weiß, wie viel Kraft es kostet, Kinder zu motivieren, die nicht freiwillig in die Schule kommen. Im Film sieht man den achtjährigen Nuri, der am liebsten den ganzen Tag mit seinem taxifahrenden Vater mitfährt und die Gäste ausfragt, wenn er etwas wissen will. Die 15-jährige Janne findet durch eine persönliche Sinnkrise dazu, ein Radiofeature über Mütter zu machen, und lernt dabei ihre Möglichkeiten und sich selbst kennen. Max meint, er müsse Künstler werden und macht plötzlich Führungen im Kunstmuseum, weil ein Mitarbeiter entdeckt hat, dass der Junge so gut auf Kunstwerke blicken kann. Später wird er dann doch Unternehmer. Lovis spielt mit einem alten Herrn Tischtennis im Park und entdeckt so seine Liebe zum Uhrmacherhandwerk. Und die 24-jährige Saskia forscht an einem Schlafmittel, um dessen Lizensierung sie ringt.
Die Frage ist, wie die Sozialräume gestaltet sein könnten, auch die Rechtsräume, in denen sich Kinder selbst entwickeln können. Welche Art von Begleitung braucht es, wenn es nicht mehr eine Generation von Kindern gibt, die ‹gehorchen›? Auch hier bietet der Film Ausblicke, die nicht festgeschrieben sind, aber zum Nachdenken anregen. Und man stellt als Zuschauer fest, wie gefangen man doch in seinen Vorstellungen und deren Kontinuität ist. Was ist Bildung eigentlich? Wo sehe ich Schule als eine Kulturtechnik, die wir benutzen, ohne zu hinterfragen? Worin möchte ich mich noch bilden bzw. tue es auch unerlässlich, ohne dass es so bezeichnet wird? Welche Möglichkeiten hat mein Kind oder ein Kind, sich in seinen Interessen zu finden? Die Konsequenz, die Illich bereits gezogen hat, dass nämlich die Bildungsproblematik nicht innerhalb der Institution gelöst werden kann, wird spürbar.
Das Medium Spielfilm ermöglicht, sich mit seiner Vorstellung hineinzubegeben, Dinge erlebbar zu machen, die eine Dokumentation nicht erlebbar macht. Als Kunstform lässt der Film frei, sich verschiedene Meinungen bilden zu können. Das Drehbuch hat der ehemalige Christengemeinschaftspfarrer Andreas Laudert geschrieben.
Man sitzt also im Kino und macht sich so seine Gedanken. Langsam bildet sich im Kopf ein Raum, in dem die Gedanken kreisen können. Taugt diese Vision auch für kleine Kinder oder ist es ein Konzeptentwurf für Jugendliche? Kann das wirklich funktionieren? Und wie sähe das ganz konkret aus? All diese Fragen wollen gern von den Filmmachern gehört werden und sie haben großes Interesse daran, Ideen weiterzuentwickeln, den Film bekannt zu machen und in Austausch darüber zu kommen. Wer also will, kann gern Kontakt aufnehmen oder einen Film- und Gesprächsabend buchen.
Bild: Still aus dem Film ‹Caraba› #LebenohneSchule.