Reine Betrachtung

Im Augenblick, da das Wollen ruht und die Betrachtung aufkommt, das reine Sehen und Hingegebensein, wird alles anders. Der Mensch hört auf, nützlich oder gefährlich zu sein, interessiert oder langweilig, gütig oder roh, stark oder schwach. Er wird Natur, er wird schön und merkwürdig wie jedes Ding, auf das reine Betrachtung sich richtet. Denn Betrachtung ist ja nicht Forschung oder Kritik, sie ist nichts als Liebe. Sie ist der höchste und wünschenswerteste Zustand unserer Seele: begierdelose Liebe.

Hermann Hesse
Aus: Hermann Hesse, Von der Seele. In: Mein Glaube. Frankfurt am Main 1971, S. 11.


Die sinnliche Tätigkeit, erwartungs­los zu schenken, stiftet Menschlichkeit.


Auswahl und Kommentar von Johanna Lamprecht

Zeichnung von Philipp Tok

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