Die Kupferchlorid-Kristallisationsmethode ergänzt die bestehende Qualitätsforschung, vom Bewerten der Pflanzenqualität bis zur klinischen Diagnose. Als Bildschaffende Methode erkennt sie die Qualität einer Substanz aufgrund des in ihr wirkenden Zusammenhangs und nicht nur aufgrund der Auswertung einzelner Komponenten. Sie schließt eine Lücke für die Erforschung der Qualität biologisch-dynamischer Produkte und Landwirtschaft.
Die biologisch-dynamische Landwirtschaft geht auf acht Vorträge zurück, die Rudolf Steiner im Juni 1924 auf Schloss Koberwitz (heute Kobierzyce, Polen) gehalten hat. Später wurden diese Vorträge in Buchform unter dem Titel ‹Geisteswissenschaftliche Grundlagen zum Gedeihen der Landwirtschaft› veröffentlicht. Dieser Titel macht deutlich, worum es Steiner in erster Linie ging: um eine Erweiterung des landwirtschaftlichen Praxiswissens seiner Zeit mithilfe der anthroposophischen Geisteswissenschaft. Er berücksichtigte nicht nur die Wechselwirkungen zwischen Boden, Pflanzen und Tieren auf dem Betrieb, sondern darüber hinaus auch weiterreichende natürliche Beziehungen, wie diejenigen zwischen Erde und Kosmos. Diese Zusammenhänge sind komplex und umstritten, da es nicht einfach ist, das Ausmaß kosmischer Einflüsse auf Pflanzen und Tiere zu bestimmen.
Mit dem Ziel, die innere Qualität dieser Landwirtschaftsform wissenschaftlich vermittelbar zu machen, hat die biologisch-dynamische Forschung in den letzten Jahrzehnten erhebliche Anstrengungen unternommen. So vergleicht das FIBL (Forschungsinstitut für biologischen Landbau) in einem seit über vierzig Jahren laufenden Freilandversuch die konventionelle (K), die ökologische (O) und die biologisch-dynamische (D) Landbaumethode. In diesem sogenannten DOK-Versuch konnte wissenschaftlich nachgewiesen werden, dass im biologisch-dynamischen Landbau das Bodenleben wie auch die Artenvielfalt der begleitenden Flora und Fauna um 60 Prozent höher liegen als im konventionellen Landbau. Auf der Ebene der Inhaltsstoffe weisen biologisch-dynamische Kulturen tendenziell mehr sekundäre Pflanzenstoffe auf, die zumeist aus einer verstärkten Auseinandersetzung der Pflanze mit ihrer Umwelt resultieren.
So interessant diese Erkenntnisse auch sind, so wenig vermögen sie Bezüge zu den ursprünglichen, spirituellen Prinzipien der biologisch-dynamischen Landwirtschaft herzustellen, geschweige denn die Prämisse kosmischer Einflüsse auf die Pflanzenwelt zu stützen. Aus diesem Grund bedarf es Forschungsmethoden, die Einblicke in die organisierenden Eigenschaften lebender Organismen ermöglichen. Hier kommen die sogenannten Bildschaffenden Methoden ins Spiel.
Fingerabdruck des Ganzen
Um die formenden Kräfte in der Natur zu untersuchen, haben in den 1920er-Jahren Ehrenfried Pfeiffer die Kupferchlorid-Kristallisation und die Rundfilterchromatografie sowie Lily Kolisko die Kapillardynamolyse (die Steigbildmethode) entwickelt. Diese Methoden wurden seither in großem Umfang auf eine Vielzahl von Proben und Forschungsfragen angewandt, wie z. B. die Wirkung biologisch-dynamischer Präparate, verschiedener Anbaumethoden und unterschiedlicher Verarbeitungsmethoden auf die Lebensmittelqualität, aber auch die qualitative Beurteilung pharmazeutischer Prozesse und nicht zuletzt die Diagnose klinischer Krankheiten im menschlichen Blut.
Wie der Name schon sagt, erzeugen diese Methoden nicht in erster Linie quantitative Daten, sondern Bilder, die von geschulten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern visuell bewertet werden. Aufgrund des begrenzten Wissens über die der Bildentstehung zugrunde liegenden Prozesse sowie der notwendigen persönlichen, einfühlsamen Beziehung, die die beurteilende Person während der visuellen Bewertung zum Bild eingehen muss, wurden diese Methoden von der zeitgenössischen Wissenschaft als subjektiv und unwissenschaftlich abgetan.
Um diese Einwände auszuräumen, hat sich vor gut 20 Jahren ein europäisches Konsortium von anthroposophisch orientierten Forschenden gebildet mit dem Ziel, die Kupferchlorid-Kristallisation als Methode zur (Lebensmittel-) Qualitätsanalyse in die Wissenschaft einzubringen, die in einen geisteswissenschaftlichen Kontext integriert ist und dennoch wissenschaftlich anerkannt wird. Dafür hat das Konsortium nicht nur an der Standardisierung, Validierung und praktischen Anwendung der Kupferchlorid-Kristallisation gearbeitet, sondern auch die physikalischen Prozesse ins Auge gefasst, die der Bildentstehung zugrunde liegen.
Die Methode beruht auf dem Phänomen, dass baumartige Kristallisationsbilder entstehen, wenn eine Lösung, bestehend aus Kupferchlorid und einem Extrakt (z. B. aus einer Pflanze) oder Blut, auf einer Petrischale in einer vibrationsfreien Verdunstungskammer auskristallisiert. Die Kristallisationsbilder sind spezifisch für das untersuchte Produkt, unterscheiden sich jedoch erheblich je nach ‹Gesundheitszustand› des Organismus – ob Pflanze, Tier oder Mensch. Auf diese Weise können qualitative Unterschiede buchstäblich sichtbar gemacht werden (siehe Abb. 1).
Im Vergleich dazu messen die in Deutschland amtlich zugelassenen, im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB, §64) festgelegten Methoden zur Bestimmung der Lebensmittelqualität lediglich den Gehalt einzelner Komponenten. Das verbindende Element zwischen diesen analytischen Messergebnissen einzelner Komponenten, beispielsweise einer Möhre, und der Möhre als Ganzes fehlt. Dieses fehlende Element lässt sich am besten als die Koordination oder Organisation beschreiben, die verschwindet, wenn das Lebensmittel in seine einzelnen Verbindungen zerlegt wird.
Mittels der Kupferchlorid-Kristallisation, die im Gegensatz zu analytischen Methoden auf einem Ordnungsprinzip beruht, kann ein Bild oder ein ‹Fingerabdruck› des ‹kohärenten Ganzen› erzeugt werden. Sobald die Grundlagen dafür geschaffen sind, die Lebensmittelqualität im wissenschaftlichen Diskurs anhand der erzeugten Bilder und des dahinter wirkenden Ordnungsprinzips zu diskutieren, sind auch die Voraussetzungen für die wissenschaftliche Anerkennung der Methode erfüllt.
Die erzeugten Bilder werden auf zwei verschiedene Arten ausgewertet: zum einen visuell durch geschulte Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen und zum anderen mithilfe einer computergestützten Bildanalyse. Die computergestützte Analyse kann als ‹objektiver› angesehen werden, was die Kommunikation im wissenschaftlichen Umfeld erleichtert. Allerdings gehen bei diesem Ansatz die Feinheiten der Methode verloren, die bei der visuellen Auswertung erfasst werden.
Mehr als Subjektivität
Um den im Raum stehenden Vorwurf der Subjektivität zu entkräften, hat sich ein mehrköpfiges Bewertungspanel gebildet, welches sich an den internationalen Standardnormen für sensorische Panels orientiert und sich durch regelmäßiges ‹Training› auf die visuelle Bewertung von Kristallisationsbildern spezialisiert hat. Dazu wurden Kriterien entwickelt und festgelegt, mit denen die wesentlichen Merkmale – die Phänomene eines Kristallisationsbildes – beschrieben werden können. Das Anwenden dieser Kriterien auf Kristallisationsbilder setzt ein gewisses Maß an ‹Einfühlen›, an empathischer Auseinandersetzung und somit innerer Schulung voraus.
Dieser Weg der inneren Schulung ist wissenschaftlich anerkannt und wurde in mehreren wissenschaftlichen Artikeln veröffentlicht. Auf diese Weise konnte das Panel eine gemeinsame Sprache für die Beschreibung von Kristallisationsbildern entwickeln, die eine Brücke zwischen dem Persönlichen und dem Gemeinsamen, dem Selbst und den anderen schlägt.
Wenn man die beiden Karottenbilder (siehe Abb. 1) betrachtet, erhält man einen Eindruck, wie die Auswertung funktioniert: Aus einer analytischen Perspektive hat das Kristallisationsbild des frischen Karottensaftes deutlichere Nadelverzweigungen, regelmäßig angeordnete Seitennadeln und vor allem im mittleren Bereich kürzere und reichlichere Seitennadeln. Bei einer einfühlsamen Betrachtung wird man sich eines Gefühls der Spannung in den Nadelverzweigungen des frischen Saftes bewusst, das vom Zentrum zur Peripherie hinausgeht. Das Bild wirkt als ein sich Ausbreitendes. Außerdem scheint das Zentrum das Bild stärker zu koordinieren als beim gealterten Saft. Dies kann man wahrnehmen, wenn man seine Aufmerksamkeit auf das Zentrum richtet und den Fluss der Äste mit dem peripheren Blick verfolgt. Zusammen ergibt dies ein Gefühl von organisierter Spannung, die wir normalerweise bei frischen Produkten finden und die bei der Alterung oder Verarbeitung der Probe verloren geht.
Ein subtileres Beispiel ist die Auswirkung der Behandlung von Mistelwirtsbäumen (Ulmen) mit biologisch-dynamischen Präparaten auf die Qualität des Mistelpräparats (siehe Abb. 2). Vergleicht man die beiden Kristallisationsmuster mit einer rein analytischen Wahrnehmung, so fallen die langen, etwas groben und unregelmäßig angeordneten Seitennadeln der wenig (nur einmal mit Hornmist) behandelten Variante am meisten auf. In den Ästen des Bildes für die häufig (mehrfach mit Hornmist und Hornkiesel) behandelte Variante zeigt sich bei einfühlsamer Betrachtung eine mehr fließende, vernetzte Bewegung. Man wird sich einer vom Kristallisationszentrum ausgehenden ‹Präsenz› bewusst, welche die Bildelemente koordiniert und zu einer zusammenhängenden Ganzheit führt.
Es liegt auf der Hand, dass diese Bilder eine ganz andere Wirkung auf einen selbst haben als die Interpretation von sogenannten ‹harten Daten›. Wir erleben, dass die Arbeit mit diesen Bildern, also das Anschauen der Wirkungen beispielsweise von Verarbeitungsmethoden oder Anbausystemen, an unsere Moral appelliert. Die Aussage, dass ‹Geist nie ohne Materie und Materie nie ohne Geist ist› (R. Steiner), hilft uns, die Kupferchlorid-Kristallisationsbilder als eine ‹Manifestation› der geistigen Dimension des Organismus zu betrachten, von dem die Bilder stammen, und den Grad zu erfassen, in dem sie ihre Integrität bewahren können.
Kulturwirksamkeit
Die Zeit ist reif, sensible Forschungsmethoden, die Vitalitätsaspekte wie Widerstandsfähigkeit und Selbstregulierung von Organismen auf einer wissenschaftlich fundierten Basis visualisieren und vermitteln können, umfassender einzusetzen. Dadurch können Aspekte von Leben und Gesundheit, die von der Wissenschaft bisher noch nicht genügend berücksichtigt werden, bewusst gemacht werden. Das Leben ist mehr als eine Ansammlung einzelner Stoffe bzw. nicht lediglich eine Nebenerscheinung chemischer und physischer Prozesse ist, sondern kommt in diesen zum Ausdruck.
Der Verein für Krebsforschung
Der 1935 gegründete Verein für Krebsforschung konzentriert sich auf die Entwicklung von Arzneimitteln für die integrative Krebsbehandlung auf der Basis der Mistel und anderer Heilpflanzen. Zusätzlich zu analytischen Labormethoden haben auch Bildschaffende Methoden in der Arbeit des Vereins für Krebsforschung einen hohen Stellenwert.
Die Forschungsinitiative des Vereins für Krebsforschung in diesem Bereich hat mit dem kürzlich erfolgten Bau von zwei identischen, hochmodernen Kammern für die Kupferchlorid-Kristallisation an Dynamik gewonnen. Derzeit startet ein Projekt zur Qualität von Heilpflanzen, welches mit der Steigbild- und der Kupferchlorid-Kristallisationsmethode untersucht, ob die Aussaat bestimmter Wirtsbäume für die Mistel und die Verabreichung biodynamischer Präparate bei bestimmten kosmischen Konstellationen kumulativ wirken können. Gestützt auf vielversprechende Hinweise (siehe Abb. 2) versucht der Verein, die Verbindung zwischen den ursprünglichen, spirituellen Prinzipien der biodynamischen Landwirtschaft und pharmazeutischen Prozessen zu stärken.
Systemischer Diagnosetest
Von der Mistelforschung ist die Verbindung zur klinischen Forschung, insbesondere zur Krebsforschung, schnell hergestellt. Bildschaffende Methoden können gerade in der klinischen Diagnostik einen Mehrwert bringen, weil sie den systemischen Zustand des Patienten, der Patientin aufzeigen und nicht die Aufdeckung lokaler Anomalien bezwecken. Ziel unserer Forschung ist es, bildschaffende Methoden so zu überprüfen und weiterzuentwickeln, dass sie zum Screening von Menschen auf eine Veranlagung für bestimmte Krebsarten (Prädisposition) und zur kontinuierlichen Überwachung des Gesundheitszustands während und auch nach einer Krebserkrankung eingesetzt werden können. Wird eine Veranlagung zur Krebserkrankung frühzeitig erkannt, kann durch gezielte Therapien und Maßnahmen (z. B. Misteltherapie oder Ernährungsumstellung) der Ausbruch der Krankheit verzögert oder vielleicht sogar verhindert bzw. der Krankheitsverlauf so weit wie möglich abgemildert werden.