Pronoia ist das Gegengift zu Paranoia

Alternative Formen von Spiritualität wurden in den 1970ern mit einer rosaroten Weltanschauung in Verbindung gebracht. Heute ist das Gegenteil der Fall – die zeitgenössische medial verbreitete Meinung von Spiritualität – ‹Konspiritualität› – sieht überall versteckte, böse und giftige Kräfte. Es ist an der Zeit, uns zumindest daran zu erinnern, dass wir die rosarote Brille aufsetzen könnten.


Der Begriff ‹Pronoia›, der in frühchristlichen Werken vorkommt und die göttliche Vorsehung beschreibt, die die Welt in Ordnung hält, bringt diese Denkweise gut auf den Punkt. In jüngerer Zeit wurde der Begriff von dem amerikanischen Astrologen und Schriftsteller Rob Brezsny popularisiert, der betont, dass Pronoia nicht bedeutet, dass man sein kritisches Urteilsvermögen oder seine Handlungsfähigkeit aufgeben muss. Vielmehr ist Pronoia ein notwendiges Gegengewicht zu einer leichten Form der Paranoia, die in einem mit schockierenden Nachrichten und Verschwörungstheorien gesättigten Medienumfeld leicht zu einer Art Standardeinstellung werden kann. All diese schrecklichen Dinge mögen wahr sein, aber das Gegenteil ist es auch. Positive Entwicklungen, Beispiele menschlicher Beherztheit und Gründe für Optimismus und Hoffnung gibt es in Hülle und Fülle, auch wenn sie nicht die gleiche Anzahl von Klicks und Sendezeit erhalten. Umformuliert auf eine kosmische Ebene: Es gibt Teufel, aber auch Engel. Brezsny geht noch einen Schritt weiter: «Auch wenn wir es nicht sehen und nicht wissen, gibt es ursprüngliche Wohltäter, die uns emanzipieren wollen. Die Winde und Gezeiten sind auf unserer Seite, für immer und ewig, Amen.»

Pronoia ist nicht nur eine Übung in Seelenhygiene oder gesundem Menschenverstand – es ist eine politische Strategie. Wie Noam Chomsky sagte: «Optimismus ist eine Strategie, um eine bessere Zukunft zu schaffen.» Ohne Raum für Hoffnung oder zumindest die Anerkennung der Unbestimmtheit der Zukunft gibt es keinen Raum zum Handeln.


Foto Josh Calabrese

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