Rudolf Steiners Lebenswerk sei sein Lebensgang und seine philosophisch-theosophisch-anthroposophische Wandlung vom Goethe-Herausgeber zum Goetheanum-Gastgeber, vom Freiheitsphilosophen zum Sozialreformer lasse sich nicht allein unter den Begriff ‹Anthroposophie› fassen.
So spricht Philip Kovce in einem Feature des Deutschlandfunks. Er unterstreicht den Gedanken mit der Beobachtung, dass es «eine unfreiwillige Allianz von Steiner-Jüngern und Steiner-Gegnern» gebe, die Rudolf Steiner entweder «als einzig wahren Anthroposophen vergöttern oder verteufeln». Es sei ein Glaubenskrieg, der von niemandem zu gewinnen sei und von einer «anthroposophischen Aufklärung» ablenke. Bodo v. Plato hat den Gedanken, dass diese Antipoden sich gegenseitig hervorrufen, öfters vorgebracht. Bei Philip Kovce ist es der präzise und zugleich sprachlich plastische Duktus, die zugleich engagierte und dabei um feine Distanz bemühte Haltung, die zu seiner Überzeugungskraft gehört. Er endet seinen Beitrag mit dem schon erwähnten Ausdruck «anthroposophische Aufklärung». Ein interessanter Begriff, weil er die Aufklärung durch Anthroposophie und die Aufklärung der Anthroposophie selbst beinhaltet.
Kommentar in ‹Deutschlandfunk Kultur, Politisches Feuilleton› vom 12. Juli 2019
Foto: Ralph Boes