Das ‹Wunder in der Wüste› hat sich in den letzten 40 Jahren vollzogen. Wohin geht der nächste Schritt?
Sein Leben hat Ibrahim Abouleish dazu genutzt, in Ägypten ein Stück Wüste urbar zu machen und zu einem sozialen Organismus rund um die biodynamische Landwirtschaft auszugestalten, an dem heute viele Tausende Menschen teilhaben. Inspiriert von dem anthroposophischen Gedanken der Assoziationen und Werten aus dem Islam, definierte er einen ganzheitlichen Wirtschaftsansatz, den er ‹Ektesat el Mahaba›, ‹Wirtschaft der Liebe› nannte. Die Sekem-Gemeinschaft entwickelt nun in Kooperation mit ägyptischen und internationalen Zertifizierungsinstitutionen konkrete Standards einer ‹Wirtschaft der Liebe›, die unter anderem die wahren Kosten und Werte eines Produktes erfassen und bewusst machen: Wie ist der ökologische Fußabdruck des Produktes, von der Erzeugung bis zur Entsorgung? Welche konkreten Auswirkungen haben Produktion, Vertrieb und Verkauf auf die Menschen – von Lohn und Lebensbedingungen bis zur Entfaltung ihres Potenzials? Was ist dementsprechend eigentlich der wahre Preis eines Produktes? Diese Faktoren müssen in die Preisbildung einfließen, damit Kosten nicht externalisiert werden zulasten der Steuerzahlenden (Müllgebühren) oder auf Kosten der Umwelt und zukünftiger Generationen. Dieser wahre Preis, der aktuell im Supermarktregal nicht ersichtlich ist, kann über die Methode des True Cost Accounting ermittelt und dargestellt werden. So kann auch festgestellt werden, dass biologische Produkte bereits jetzt billiger in ihren Gesamtkosten sind als konventionell hergestellte. Helmy Abouleish setzt die Vision seines Vaters fort, indem er sich für die nächsten 40 Jahre vorgenommen hat, einen ‹Wirtschaft der Liebe›-Standard in ganz Ägypten einzuführen. Dieser ist auf alle Produkte anwendbar und schafft vor allem ein Bewusstsein für die Gesamtzusammenhänge. Mit seinen weltweiten Partnern, die ähnliche Ansätze in anderen Ländern umsetzen, soll die Idee in die Welt ausstrahlen. Helmy Abouleish geht davon aus, dass die Menschen keine schädliche Ökonomie wollen, sondern sich für eine ‹Wirtschaft der Liebe› entscheiden würden, wenn sie wüssten, was sie mit diesem Preis wirklich zahlen und welche Nachhaltigkeit (im Sinne der Gesamtkosten) sie damit ermöglichen. Das Zertifikat macht einen Paradigmenwechsel sichtbar vom an sein Ende gekommenen Profitmaximierungsgedanken zur zukunftsfähigen und auch nötigen Sorge um die Mitmenschen.
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Bild: Sekem