Michail Gorbatschow

Zum Tod des Brückenbauers zwischen Ost und West. Ein Gespräch mit Gerald Häfner. Die Fragen stellte Wolfgang Held.


Was dachtest du, als du vom Tod von Michail Gorbatschow erfahren hast?

Die tiefe Tragik dieses Lebens! Michail Gorbatschow ist in meinen Augen einer der größten, vielleicht der größte Politiker des 20. Jahrhunderts. Er leistete Unglaubliches – und erntete in seiner Weltregion vor allem Undank und Unverständnis. Jetzt ist er beschämend vereinsamt, missachtet, von der Mehrheit seiner Landsleute sogar regelrecht verhasst gestorben. Damit verbunden ist eine zweite Tragik, die ich als noch größer empfinde. Sie hängt mit der Frage zusammen, was heute aus seinem grandiosen Impuls geworden ist. Gewiss: Indirekt, in manchem zunächst auch unbeabsichtigt, hatte Gorbatschows Mission planetare Dimensionen. Doch sie galt zuerst seinem Land und seinen Mitmenschen. Sie wollte er aus der Drangsal einer antihumanen, totalitären Gesellschaft befreien. Die Sowjetunion und Russland zu demokratisieren, sie zu öffnen für geistige Freiheit und Pluralität wie für eine freie und zugleich soziale Wirtschaft, das totalitäre, statische System umzubauen in eine von den Menschen selbstbestimmte, entwicklungsfähige Ordnung, das war Gorbatschows Ziel. Und heute? Regiert Putin immer einsamer und unbelehrbarer, autoritär, aggressiv, ja totalitär nach innen und außen und führt Krieg. Wer wagt, die Dinge beim Namen zu nennen, muss seine Freiheit gegen Gefängnis eintauschen. Der Verlauf der Geschichte ist manchmal grausam. 30 Jahre nach dem großen politischen Tauwetter durch Michail Gorbatschow wird dieses größte Land der Erde von Kräften beherrscht, die nicht für das stehen, was er anzustreben versucht hat.

1985 wurde Gorbatschow Generalsekretär der KPDSU und damit Regierungschef und wir lernten, was ‹Glasnost› und ‹Perestroika› bedeuten. Was bedeutete es für dich als politischen Aktivisten im Kalten Krieg?

Der Kalte Krieg wurde immer gefährlicher. Mitte der 80er-Jahre hatten wir einen 50-fachen Overkill. Das heißt: Das Arsenal an atomaren, biologischen und chemischen Waffen in Ost und West war so gewaltig, dass man damit die Menschheit 50 Mal hätte ausrotten können. Zudem wurden die Vorwarnzeiten immer kürzer. Ich habe damals in der Friedensbewegung gekämpft. Wir traten für einseitige Abrüstung ein. Wir haben erklärt: «Ich bin bereit, ohne den Schutz militärischer Rüstung zu leben!» Wir waren überzeugt, dass wir es sein müssten, die beginnen, dann würde die andere Seite folgen. Die damalige Regierung erklärte uns für naiv und gefährlich. Schließlich hatten alle Angst vor der Sowjetunion bzw. den Russen. Sie sagten: Selbst wenn der Westen abrüsten würde, die andere Seite würde das ausnützen.

Dann geschah das Unglaubliche: Der Generalsekretär der als größte Bedrohung geltenden Sowjetunion erklärte vor der französischen Nationalversammlung, erklärte im Deutschen Bundestag, erklärte im amerikanischen Kongress, wir müssten das Wettrüsten beenden. Die Sowjetunion werde deshalb einseitig Atomraketen abziehen, und er schlage vor, dass die andere Seite das Gleiche tue. Er änderte die Welt und den Lauf der Geschichte. Und: Der Mann sprach nicht kalt, berechnend, im Kalkül, sondern offen, ehrlich, vom Herzen. Man spürte: Der meint es ernst. Was kein westlicher und kein europäischer Politiker gewagt hatte, er, Gorbatschow, hatte den Mut dazu. Man spürte eine ungeheure Freude um den Erdball gehen.

Es war beeindruckend, was daraus entstand. Der Kreislauf wechselseitigen Hochrüstens wurde gestoppt. Die Atomsprengköpfe wurden unter den Augen beider Seiten kontrolliert vernichtet. Nicht nur das: Fortan waren bei Manövern und größeren Truppenbewegungen Beobachtende der anderen Seite zugegen. Es bildete sich Vertrauen. Gorbatschows Wirkung ging über das Militärische hinaus. Der Eiserne Vorhang zwischen Ost und West, Mauer und Stacheldraht, die Deutschland und Europa teilten, fielen infolge der Freiheit, die Gorbatschow den Ländern Mittel- und Osteuropas gewährte. Das östliche Militärbündnis, der Warschauer Pakt, löste sich auf, später auch der COMECON, der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, die Sowjetunion selbst. Dafür bildete sich der NATO-Russland-Rat oder die Partnerschaft für den Frieden. Ich hoffte damals: «Jetzt wächst Europa zusammen! Ein gemeinsamer Raum der Sicherheit und der Freiheit. Wir werden eine große, entmilitarisierte Zone schaffen, in der wir Frieden nicht mehr gegeneinander, sondern miteinander sichern, durch ständige Stärkung des Vertrauens – einschließlich Russlands!»

Am liebsten mischte er sich unter die Leute. Er wollte mit den Menschen sprechen und von ihnen lernen.

«Gefahren warten auf jene, die nicht auf das Leben reagieren.» Das sagte Gorbatschow bei seinem Besuch in Deutschland. Daraus wurde: «Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.» Was meinte er?

Im Geistesleben herrschte Ideologie, in der Politik zentralistischer Apparat, in der Wirtschaft Plan. Und jetzt sagt ihr oberster Repräsentant, man müsse auf das Leben hören. Auf das Lebendige – und auf das sich in der Zeit Entwickelnde und Wandelnde, die Menschen. Vom Leben zu lernen, bedeutet ja das Ende jeden totalitären Anspruchs. Mit diesem Satz verabschiedete Gorbatschow Ideologie wie Machtanspruch der Partei, Funktionärswesen und Apparatschiks, Zentralismus und Plan – und setzte auf das Leben: auf die Kraft eines lebendigen Geistes, der entzünden und die ganze Welt verändern kann. So verstanden ihn die Menschen. Und sie erlebten es als Unterstützung. Denn er sprach ja in eine zum Zerreißen gespannte Situation hinein, am 6. Oktober 1989, als die DDR-Gerontokratie sich feiern lassen wollte, obwohl die Menschen des totalitären Mummenschanzes längst überdrüssig waren. Anders als seine Vorgänger las Gorbatschow nur selten ab. Er äußerte sich spontan im Gespräch. Er wollte mit den Menschen sprechen und von ihnen lernen. Am liebsten mischte er sich unter die Leute; ein Albtraum für das Sicherheitspersonal. So auch hier. Gorbatschow brach aus dem Protokoll aus und lief zu einer Gruppe von Menschen, die ihn gleich umringten. Er sprach frei, improvisiert, ernsthaft, authentisch. Die Form passte zum Inhalt. Gorbatschow hat die Freunde in der DDR ermutigt. Sie wussten jetzt, dass Russland, anders als 1953 und 1968, keine Panzer schicken wird.

Wie war es möglich, dass Gorbatschow mit seinen Ideen an die Spitze des Räderwerks der KPDSU gelangte?

Ja, wie konnte das passieren? Lenin – Stalin – Malenkow – Chruschtschow – Breschnew – Andropow – Tschernenko – das waren seine Vorgänger als Generalsekretäre der KPDSU. Es lohnt, sich für einen Moment diese Physiognomien, diese Charaktere vor Augen zu stellen, dann wird der Kontrast deutlicher. Michail Gorbatschow wurde als Bauernjunge im Nordkaukasus geboren. Was nur wenige wissen, ist, dass sein Großvater unter Stalin verhaftet wurde und für 14 Monate verschwand. Die Familie musste zittern, ob der geliebte Großvater wieder nach Hause käme. Gorbatschow ist früh in der Partei aufgestiegen, war erst Sekretär für die Jugend, dann für Landwirtschaft und Mitglied im Zentralkomitee. Er galt als fähig und als Mann der Zukunft. Sein großer Förderer war Juri Andropow, der ehemalige KGB-Chef, der, schwer krank und so nur kurz im Amt, sich an einer Erneuerung des Sozialismus versuchte und dafür junge, geistig frische Kader suchte.

1999 sagte er im Deutschen Bundestag: Die Einheit Deutschlands habe «vor dem Hintergrund der weltweiten Veränderungen eine Perspektive für den Übergang der Weltgemeinschaft zu einer neuen, friedlichen Etappe der Weltgeschichte» eröffnet. Wie siehst du das?

Das stimmt. Der Kalte Krieg war zu Ende, Europa auf dem Weg, sich in Freiheit wieder zu vereinen, und das Fenster weit offen für eine neue, dauerhafte Friedensordnung. Aber leider nur für eine kurze Zeit. Dann wurde es zugeschlagen. Von beiden Seiten. Leider muss ich sagen: Die von Gorbatschow rückhaltslos offen ausgestreckte Hand wurde vom Westen nicht ergriffen. Oder nur, soweit wir davon profitierten. Deshalb reicht es nicht, wenn wir ihm für die deutsche Einheit danken. Was Gorbatschow wollte, ein ‹gemeinsames Haus Europa›, in gemeinsamer, partnerschaftlicher Sicherheit, das hat der Westen zunehmend vereitelt und am Schluss regelrecht mit Füßen getreten.

Ausweitung der NATO nach Osten? Stationierung neuer strategischer Waffen? INF-Vertrag? George W. Bush Jr. fand nicht, dass man sich an die noch von seinem Vater gegebenen Zusagen weiter halten müsse. Seine Begründung: «We won the cold war!» Da liegt die historische Schuld des Westens.

Hinzu kommt die tragische Ironie der Geschichte, dass die von Gorbatschow angestoßenen Veränderungen vielen Ländern der Welt eine Freiheits- und Friedensdividende gebracht, aber sein eigenes Land letztlich exkludiert haben. Auch hier tragen wir Mitschuld. Denn in der Mitte und im Westen war kein Wille, dem geistig, sozial und politisch verwüsteten Russland auf die Beine zu helfen, ähnlich wie man das etwa in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg tat. Vielmehr machte sich im Westen ein Triumphalismus breit, der Russland weniger half, als es demütigte. Dies, mehr noch aber die gähnende geistige Leere, die politische Stagnation und die ökonomische Lethargie nach einem dreiviertel Jahrhundert Planwirtschaft und Totalitarismus stürzten das Land in ein Trauma von verlorener Macht, verlorener Ordnung und Größe. Auf diesem Boden gedeiht ein aggressiver Nationalismus. Dass Russland jetzt den untauglichen Versuch macht, diese versunkene Größe durch kriegerische Invasion und Unterwerfung seiner Nachbarn wiederherzustellen, ist durch nichts zu entschuldigen.

Eines der Bilder dieser Aufbruchszeit ist dann die Wanderung von Gorbatschow und Helmut Kohl am Flussufer des Bolschoi Selentschuk. Als Strickjackendiplomatie ging das Gespräch in die Geschichte ein.

Politik wird von Menschen gemacht. Immer. Am Ende sind es immer die Menschen, die das Rad der Geschichte weiterdrehen, in die eine oder andere Richtung. Gorbatschow zeigte das emblematisch, als er die Herrschaft des Apparats oder den Krieg in Afghanistan beendete, den Totalitarismus überwand und den Warschauer Pakt auflöste. Er war ein Mensch von innerer Kraft und Substanz. Dabei ging alles tastend. Das Ziel war nicht klar, nur die Haltung. So war Gorbatschow anfänglich ein Gegner der deutschen Einheit; er fürchtete die Ausweitung der NATO nach Osten. Erst aufgrund seiner Erlebnisse mit den Menschen in beiden Deutschland sowie der Annäherung und Vertrauensbildung in den Gesprächen mit Kohl und Genscher hat er sich umentschieden.

Er ist ja bejubelt worden wie einst John Kennedy.

Das stimmt. Dabei sollte man nicht vergessen, dass Helmut Kohl ihn 1986 in ‹Newsweek› mit Goebbels verglichen hatte. Das ist ein Beispiel dafür, wie hasserfüllt der Blick von West nach Ost damals war und wie wichtig, dass auch Kohl in den Begegnungen selbst diese Sichtweise überwinden konnte. Er hat sich später dafür entschuldigen müssen im Bundestag. Man kann ja nicht sagen, dass es Kohl leicht fiel, sich zu entschuldigen. Ich erinnere keine andere Entschuldigung von ihm, obwohl er oft Grund dazu gehabt hätte. Das sagt mehr über Gorbatschow als über Kohl. Das Überzeugende seines Wesens ließ einen solchen Vergleich unmöglich erscheinen. Was faszinierte die Menschen so? Ich glaube, es war seine spürbare Authentizität, Integrität und moralische Substanz. Übrigens trug auch Raissa Gorbatschowa, seine überaus gewinnende Frau, die ihn überallhin begleitete, mit zu dem positiven Bild bei.

Und das genügt nicht, wenn diese ausgestreckte Hand nicht angenommen wird?

Gorbatschows Hand wurde gerne angenommen. Aber letztlich nur da, wo auch der Westen sich Vorteile versprach. Ausgeschlagen dagegen wurde sie dort, wo es an uns gewesen wäre, einseitig zu helfen und zu handeln. Vor allem aber führte sein Weg in die Leere. Denn wo er hingehen wollte, gab es nichts. Keine Idee, keinen Halt. Das war und ist auch unser Versäumnis. Gorbatschow hat, und das ist sein größtes Verdienst, das grausame ‹sozialistische Experiment im Osten› beendet. Als Gegenentwurf zum Kapitalismus propagiert, war es schon lange vor diesem an seinem Mangel an Freiheit gescheitert. Glasnost und Perestroika führten zu Freiheit und Wandel – aber was hieß das für das Wirtschaftssystem? Wie der Kapitalismus für das Soziale blind ist, ist es der Sozialismus für die Freiheit. Gesucht war ein Weg, der Freiheit und Sozialität vereint. Doch Gorbatschow hatte keine Idee für eine neue Wirtschaftsordnung. Und ohne leitende Idee und Strategie machten sich die entfesselten Kräfte eines materiellen Egoismus das Land zu eigen. Die vormalige Staatswirtschaft geriet in die Hände einer Kaste von Oligarchen und Kleptokraten. Wäre – und hier müssen wir uns selbst an die Nase fassen – damals eine politische und wirtschaftliche Ordnung verfügbar gewesen, die Freiheit, Demokratie und Sozialismus miteinander zu verbinden vermag, und wären die Schritte dahin klar gewesen, wäre es vielleicht anders ausgegangen. Es gab sie nicht – und so wanderte das ‹Volksvermögen› auf opaken Wegen in die Hände der Oligarchenzirkel. Sie sind es, die heute mit Putin zusammen die russische Wirtschaft und Politik bestimmen.

Er hat alles verloren. Er hat die Macht verloren, seinen Einfluss, seinen guten Ruf, sein Ansehen im Lande. Er hat alles aufs Spiel gesetzt.

Was sind wir Gorbatschow schuldig?

Wir sollten dort weitermachen, wo er aufgehört hat, jede/r an ihrer/seiner Stelle. Er war ja ein grandios erfolgreicher Verlierer. Er hat alles verloren. Er hat die Macht verloren, seinen Einfluss, seinen guten Ruf, sein Ansehen im Lande. Er hat alles aufs Spiel gesetzt. Gorbatschow musste durch dieses Tor gehen, um das Wertvollste gewinnen zu können: Glasnost und Perestroika – menschliche Freiheit und Entwicklung. Diese gorbatschowsche Kraft, durch den Nulllpunkt zu gehen, um sich der Einsicht, dem Lebendigen und einer neuen Qualität des Willens zu widmen, die wünsche ich mir für alle Menschen. Gorbatschows Werk ist nicht vollendet. Es ruft danach, dass wir es fortsetzen: Freiheit, Demokratie und Sozialismus vermählen.

Gorbatschow, der große Idealist und Realist in dieser Stunde der Geschichte, dem die Umgebung nicht die Resonanz schenkte, der so ins Leere lief. Ist es das?

Ja. Das beschäftigt mich nicht nur bei ihm. Da zeigt sich einer oder eine mit einem ungeheuren Impuls. Und du fragst dich: Wo sind die, die ihn verstehen, die kongenial mitarbeiten? Warum konnten wir nicht anders, warum konnten die Menschen in Russland nicht anders auf Gorbatschow reagieren? Warum fand er so viele Bewunderer, so viele Profiteure und so wenig wirkliche Mitstreiter, Mitstreiterinnen? Geschichte ist immer ein Ringen antagonistischer Kräfte, und Fortschritte sind relativ, nie absolut.

Wir berühren hier ein Urbild, das ja zum Mythos des Christentums gehört – der eine und die Schergen, das Licht und eine Finsternis, die es nicht empfängt.

So ist es. Wobei dieser Gestus sich verwandelt – ich behaupte: immer mehr auf den inneren Schauplatz verlagert. Wir sind weniger Zusehende eines äußeren Geschehens. Wir sind, ob wir es wissen oder nicht, an immer mehr beteiligt. Gorbatschow konnte, was er tat, aus einer Position der absoluten Machtfülle heraus tun, wie sie ein Generalsekretär der KPDSU im damaligen Sowjetsystem innehatte. Doch er selbst hat diese Position abgeschafft. Es gibt sie nicht mehr. Es geht zukünftig immer weniger darum, dass ein Einzelner wie ein ‹Führer› den Kurs der Menschheit bestimmt. Vielmehr gilt es zu begreifen, dass wir alle diese Verantwortung tragen, diesen Kurs bestimmen. Es geht daher immer mehr darum, dass wir etwas lernen, was unter und durch Gorbatschow in Teilen gelungen ist, etwa, für eine Zeit, in der Bürgerbewegung der DDR, in Polen, im Baltikum, in Armenien und Georgien. Da lebte eine Substanz, die Menschen erlaubte, sich mit Kerzen gegen Panzer zu stellen. Aber das trug nur vorübergehend. Die deutsche wie die europäische Einheit sind auf halbem Wege steckengeblieben. Geistig ist, was uns getrennt hat, nicht überwunden, ist die Brücke nicht geschlagen zwischen dem westlichen und dem östlichen System.

Resonanz fehlte. Wie zeigt sich dieses Phänomen im Meso- und Mikrosozialen?

Ich kann mir kaum ein geistfeindlicheres Umfeld vorstellen als das Zentralkomitee der KPDSU. Dass er trotzdem so viel bewirkt hat, zeigt seine Kraft. Wer heute etwas bewirken will, muss zusammenarbeiten. Die Zeit der herausragenden Einzelpersönlichkeiten geht zu Ende. An ihre Stelle tritt kollegiale Zusammenarbeit. Die brauchen wir heute im ganz umfassenden Sinn. Dabei hilft, zu hören, was aus dem bzw. den anderen zu mir spricht. Wo kann ich einer guten Entwicklung dienen? An die Stelle des Dekrets tritt das Gespräch. Das war ja auch Gorbatschows Gestus. Perestroika meint das Gesetz der menschlichen Entwicklung und Glasnost die geistige Freiheit als ihre Voraussetzung. Damit hat Gorbatschow zwei Säulen aufgerichtet. Geistige Freiheit und Entwicklung sind die Grundlagen jeder Weltanschauung, die nicht in Zwang oder -ismen führt, sondern sich ständig mit den Menschen verwandelt und weiterentwickelt. Hinzu kam der Gestus der offenen Arme: Lasst uns ein gemeinsames Haus Europa bauen, lasst uns zusammen abrüsten! Wo wir uns diese drei Gesten zur Aufgabe machen, sind wir auf dem Weg, Gorbatschows Werk fortzusetzen.


Zeichnungen Sofia Lismont

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