Kreissägen sind Ungetüme. Läuft die Maschine, so sind die Zähne ihres Blattes unsichtbar. Auch im Klang verbirgt sie ihre Macht: Das monotone Surren lässt kaum ahnen, was diese Maschine anrichten kann.
Ein solch kleines Unglück geschah, als eine Waldorfklasse Holzbetten für ein Landschulheim baute. Ein großartiges Projekt! Meine Mutter sägt Zapfverbindungen, ein Schüler will helfen und drückt in ihrem Rücken das Holz mit einem Stab, sodass ihre Daumenkuppe dem Blatt zu nahe kommt. Zum Glück nur ein kleiner Unfall. Später sagt ein Werklehrer: «Die Maschinen machen keinen Unterschied zwischen Holz und Hand.» Dann, so dachte ich, hat der Konstrukteur, die Konstrukteurin auch keinen Unterschied in Holz und Hand gesehen. Wenige Jahre später kommt mir selbst eine Kreissäge zu nahe. Mein gebrochenes Bein ist eingegipst und jetzt soll die Hülle ab. Als es mit der Gipsschere nicht weitergeht, greift der Pfleger zu einer kleinen Kreissäge, die ich mit großen Augen anschaue, denn auch sie beginnt zu surren. «Keine Angst, die schneidet nur Gips, keine Haut!» Er erklärt, dass das Sägeblatt hier nicht rotiert, sondern vibriert. Die elastische Haut folgt der Vibration und bleibt ungeschoren, während der Gips durchtrennt wird. So sollte Technik sein, so sollte sie überall werden, damit sie unterscheidet, damit sie sich nicht gegen uns wendet. Dazu müssen diejenigen, die sie bauen, uns Menschen im Auge haben. Ingenieure werden Soziologen, Technikerinnen werden Pädagoginnen, Kontrukteurinnen werden Psychologinnen, Mechaniker werden Therapeuten. So werden Sägen, Pressen und Bohrer menschlich. Wenn das nur auch bei der teuflischsten aller Techniken, der Kriegstechnik, möglich wäre.
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