Menschen für die Biodynamik

Vier kleine Porträts von Teilnehmenden der Landwirtschaftlichen Tagung im Februar 2023. Zusammengetragen von Charles Cross.


Jan Moser

Jan Moser – Ein junger Winzer aus Österreich

Ich bin ein in Österreich lebender Winzer, komme aber ursprünglich aus der Tschechischen Republik. Außerdem arbeite ich für das Demeter-Büro in der Tschechischen Republik und der Slowakei. Zuerst studierte ich Finanzwesen und arbeitete als Wirtschaftsprüfer. Aber an meinem 30. Geburtstag hatte ich das Gefühl, dass ich nicht tue, was ich tun sollte. Alles war organisiert. Ich hatte meinen Job, meine zukünftige Frau, mein Auto, meine Wohnung. War dass alles, was ich in meinem Leben erreichen sollte? Ich wollte schon immer reisen, also habe ich alles hingeschmissen und bin nach Neuseeland geflogen. Ich bin viele Jahre gereist und habe schließlich saisonal auf Weingütern in der ganzen Welt gearbeitet. Im Jahr 2012 war ich in Südamerika, wo ich erstmals eine biodynamische Farm sah und von Rudolf Steiner hörte. Es war faszinierend. Ich wusste vorher nichts über ihn. Ich habe die Grundlagen von Steiner gelesen. Dann fand ich die Website Rudolf Steiner Audio, die ich immer noch gerne anhöre, wenn ich arbeite. Jetzt arbeite ich auf einem landwirtschaftlichen Betrieb mit 51 Hektar Weinbergen. Es ist ein Weingut in Österreich, das seit etwa 22 Jahren biodynamisch und seit 18 Jahren Demeter-zertifiziert ist. Ich bin der Kellermeister des Weingutes.

Wie siehst du die Zukunft?

Ein schwieriges Thema. Veränderungen sind in jedem einzelnen Bereich zu sehen. Ich hatte eine Phase, in der ich richtig Angst vor der Zukunft hatte. Ich war dann im November 2022 auf der Mitgliederversammlung der Biodynamischen Föderation in Chile. Wir lasen ein Zitat, in dem Steiner über die Unvermeidlichkeit der Veränderung spricht und darüber, dass wir überhaupt keine Angst vor der Zukunft haben sollten. Es hat mich verändert. Ich sehe die Biodynamik als einen Anfangspunkt für eine Zukunft der Menschheit. Die biodynamische Bewegung kann immer größer werden. Ich sehe in meiner täglichen Arbeit direkt den Unterschied, den sie macht. Als Kellermeister brauche ich mich nicht mehr um die Weine zu kümmern, sie gären von selbst. Ich kontrolliere sie nur – ich lasse alles einfach nur geschehen. Es ist ein riesiger Unterschied zu dem, was ich zum Beispiel in Neuseeland gemacht habe, wo wir für jeden Schritt des Fermentationsprozesses ein Rezept hatten und Dinge hinzugefügt haben. Jetzt probieren wir einfach. Darauf basierend treffen wir Entscheidungen. Wir arbeiten auch viel mit dem Kalender von Maria Thun. Du kannst ohne den Einsatz von Chemikalien im Weinberg und im Keller ein stabiles Produkt von hoher Qualität herstellen. Das ist für mich überwältigend. Es gefällt mir sehr.


Peerachote Charanwong

Peerachote Charanwong, ‹Sam› – Lebensmittelverarbeiter in Thailand

Vor etwa 20 Jahren habe ich ein Bio-Business gegründet. Ich bin Lebensmitteltechnologe und leite die landwirtschaftliche Produktion und die Lebensmittelverarbeitung. Wir haben auch eine Kokosnuss-Farm. Vor 20 Jahren haben wir angefangen, organisch anzubauen. Dann hörte ich von der Biodynamik. Aber bis zu einem Workshop im Jahr 2016 hatte ich nie die Gelegenheit, mich damit zu beschäftigen. Als ich als Wissenschaftler zum ersten Mal von den Prinzipien der Biodynamik hörte, sagte ich: «Willst du mich zum Narren halten?» Es hat ein paar Jahre gedauert, bis ich sehen konnte, dass diese Dinge echt sind. Dann bin ich richtig in die Biodynamik eingestiegen. Jetzt ist mein Betrieb der erste integrierte Erzeuger/Verarbeiter in Südostasien, der die Demeter-Zertifizierung erhalten hat. Zufällig bekam ich im Jahr 2015 ein Stück Land, etwa 13 Hektar. Ich wollte es als einen Alterssitz nutzen. Ich bin als Stadtkind aufgewachsen und habe in der Fabrik gearbeitet. Ich dachte, dass ich auf einer Farm sterben möchte. Dieses Land war früher eine Sandmine, nichts mehr war lebendig. Am Anfang gab es nur einen Baum. Jetzt haben wir viele Bäume, ein paar Gewürz- und Gemüseplantagen. Dank der Biodynamik war ich inspiriert und in der Lage, diesen toten Boden in eine landwirtschaftliche Fläche umzuwandeln.

Wie steht die Biodynamik in Bezug zur landwirtschaftlichen Kultur, in der du aufgewachsen bist?

Die Biodynamik hat etwas mit der thailändischen indigenen Landwirtschaft gemein. Nach unserem indigenen Wissen bauen wir Pflanzen in Übereinstimmung mit dem Mondzyklus an. Wir alle leben unter dem gleichen Himmel, egal, ob in Asien, in den USA, auf der Nordhalbkugel oder im Süden. Früher gab es kein Internet. Wenn die Dunkelheit kam, schauten alle in den Himmel, sahen seine Bewegung und versuchten, eine Beziehung zu dem herzustellen, was sie tagsüber getan hatten. In jeder Kultur gibt es den Glauben, dass Dinge in Übereinstimmung mit dem Zyklus des Himmels wachsen. In Thailand haben wir auch Wachstum bei Flut, Ebbe, Vollmond, dunklem Mond, abnehmendem Mond und zunehmendem Mond. Aber es ist nicht so kompliziert wie der Biodynamische Kalender von Maria Thun, der auch die Bewegung der Planeten durch die Sternbilder abdeckt.


Will Bratton

Will Bratton von der International Biodynamic Guild in Amerika

Seit etwa zwölf Jahren bin ich von der Biodynamik fasziniert. Ich habe mir damals immer Bilder vom Goetheanum angeschaut. Jetzt habe ich dieses mekka-ähnliche Gefühl, wenn ich an der 99. Biodynamischen Tagung teilnehme. Ich habe so viele interessante Menschen aus der ganzen Welt kennengelernt. Das Niveau der Vorträge war beeindruckend. Ich arbeite mit medizinischen Pflanzenprodukten, für Unternehmen wie Gaia Herbs und Traditional Medicinals in den Vereinigten Staaten. Ich kaufe große Mengen medizinischer Pflanzenstoffe auf der ganzen Welt. Ich bin auch auf einer Ranch in Zentraltexas aufgewachsen, auf der Rinder gezüchtet und Mohair von Angoraziegen produziert wurden. Wir haben den Bauernkalender für alles verwendet. Ich kannte es als Kind nicht, aber sie haben die Enthornung nie an Kopftagen angesetzt, weil sie meinten, es würde zu viel Blut produzieren und für das Rind gefährlich sein.

Du leitest auch die International Biodynamic Guild?

Ja. Wir haben drei Säulen. Die erste besteht darin, den Zugang zu den eigentlichen Präparaten zu erleichtern. Die Menschen bekommen Blasen, Schädel, die verschiedenen Hüllen und Pflanzen und durchlaufen dann den Prozess der Herstellung der Präparate selbst. Ich finde es wichtig, das eigentliche, unverarbeitete Material in die Hand zu nehmen und das Ritual zu durchlaufen, um die Biodynamik voranzubringen und die Vertrautheit damit zu erhöhen. Die zweite Säule ist die astronomisch-astrologische Kalenderarbeit. Wir arbeiten an einer digitalen Plattform, die Lili Koliskos und Maria Thuns Ansatz besser fördert. Indem wir moderne Technologie verwenden (unsere Smartphones), finden wir unsere tatsächliche Position im Weltraum mit Sternen und Planetenkörpern. Ich bin wirklich gespannt auf den zukünftigen astronomisch-astrologischen Kalenderaspekt der Biodynamik – die experimentelle Arbeit, die neue Wahrheiten über unsere Beziehung zum Kosmos findet. Und die dritte Säule besteht aus Interviews mit Menschen, um Biodynamik voranbringen. All das findest du auf biodynamicguild.org.


Rapha Arcanjo

Rapha Arcanjo – Landwirtschaft und Kunst in Brasilien

Ich habe mit 13 Jahren als Musiker am Konservatorium angefangen, aber in meinen 20ern entschieden, die Universität und den urbanen Lebensstil zu verlassen, um tief in die Natur einzutauchen. Also lebte ich mit indigenen Völkern im Amazonas. Per Anhalter bereiste ich ganz Südamerika, kam in Kontakt mit isolierten Stämmen und Schamanen, heilenden Menschen. Ich ging zu einer biodynamischen Gemeinschaftsfarm, wo ich beide Welten integrieren konnte: Kunstkurse besuchen und auf der Farm arbeiten. Nach einem Jahr übernahm ich die Verantwortung für die Herstellung der Präparate und begann, Biodynamik zu unterrichten. Nach drei Jahren beschloss ich, in meine kleine Stadt Michael zurückzukehren. Dort hat meine Familie einen Naturpark, der einem Onkel gewidmet ist, der in den 1960er-Jahren von der Diktatur verfolgt wurde. Der Park ist wild, mit Tigern, Affen, hundert- und tausendjährigen Bäumen und großen Wasserfällen. Vom ursprünglichen atlantischen Regenwald im Südosten Brasiliens sind nur noch zwei Prozent übrig. Also ging ich dorthin zurück und kaufte Land in der Nähe des Waldes und gründete eine biodynamische Farm namens UOAEI – nach den fünf Vokalen, was ein Mantra der Tupi-Guarani ist, der Ureinwohner dieser Region. Der Bauernhof ist ein Ort des Experimentierens, der Veränderung, des Austauschs, der Begegnung. Freiwillige experimentieren, wir haben Projekte mit Kindern, mit Bienen und mit Pferden. Wir haben unterschiedliche Erfahrungen und unterschiedliche Ansätze. Es gibt einen wunderschönen See, viel reines Wasser. Unser Haus ist offen für alle. Wir veranstalten dort Festivals. Wir sind also eine Familie.


Alle Portraits von Charles Cross, Titelbild von Xue Li

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