Vieles, was wir heute selbstverständlich tun, bedurfte vor noch nicht allzu langer Zeit besonderer Anstrengungen.
Beispiel Film und Fotografie: Während es vor 100 Jahren noch großer Künstler und besonderer Momente bedurfte, um etwas filmisch oder fotografisch festzuhalten, laufen wir dieser Tage filmdrehend und fotoschießend umher, als sei es nie anders gewesen. Die Kunst der Wenigen hat sich zur Technik der Vielen gewandelt. Fähigkeiten Einzelner sind Fertigkeiten aller geworden. Filmen und fotografieren kann heute so gut wie jeder – schon allein mit dem Smartphone.
Wenn mittels Massenproduktion technische Geräte die Bastelstuben ihrer Erfinder verlassen, dann wird dies nicht zu Unrecht als ‹Demokratisierung› gefeiert. Doch je mehr die Massenproduktion technische Geräte und Fertigkeiten ‹demokratisiert›, desto besser lässt sich erkennen, dass sich künstlerische Prozesse und Fähigkeiten gerade nicht ‹demokratisieren› lassen. Sie sind technisch unverfügbar. Sie sind individuell.
Dass wir inzwischen jederzeit filmen oder fotografieren können, heißt mitnichten, dass wir alle darin gleichermaßen geübt, geschweige denn meisterhaft wären. Im Gegenteil: Etwas, das allen zur Verfügung steht, ist umso schwieriger individuell zu ergreifen und künstlerisch zu gestalten. Das gilt übrigens auch für die Demokratie: Sie ist uns bereits so selbstverständlich geworden, dass wir längst nicht mehr bedenken, dass sie eine hohe Kunst darstellt: nämlich die Kunst, sich selbst angesichts der anderen zu spiegeln und den privaten Individualismus zu einem öffentlichen Interindividualismus zu steigern.