Leserbrief von Ernst Ullrich Schultz zum Artikel von Bernhard Steiner ‹Negativzins – als ob gewisse Tiere juckten›, Goetheanum Nr. 35, 30.8.2019.
Der sehr lesenswerte Beitrag wirft auf bildhafte Weise ein Schlaglicht auf die Zusammenhänge von Geldpolitik und Ökonomie. Folgende Aspekte möchte ich noch hinzufügen.
Mit der Nullzinsphase ist eigentlich das erreicht, wovon Geldtheoretiker vor Jahrzehnten geträumt haben. Der jetzige Zustand zeigt uns jedoch, dass manche dieser Theorien nicht so recht haltbar sind. Es ist zweifelhaft, ob Veränderungen von monetären Mechanismen automatisch gesellschaftliche Umwälzungen nach sich ziehen. Geld ist immer Ausdruck von Machtverhältnissen, wie es Bernhard Steiner eindrucksvoll mit dem Wort Tribut kennzeichnet.
Ein weiterer Aspekt ist die Problematik von Staatsanleihen. Gesagt wird meist nur, dass die Zentralbank die Staatsanleihen aufkauft. Wir lesen nicht, wer davon profitiert. Es bekommen nämlich diejenigen neues Geld in die Hände, welche ein geringes Interesse an sinnvollen Investitionen haben, sondern mit dem Geld wieder Geld verdienen wollen.
Es ist übrigens ein Unding, dass ein Gemeinwesen sich Gelder von Privatleuten und Unternehmen leiht. Eine bedenkliche Abhängigkeit des Staates von der Finanzwirtschaft entsteht dadurch. Ein Staatswesen ist kein privates Unternehmen, sondern gehört allen Bürgern. Die Finanzierung muss über Steuern funktionieren und bei Überschüssen könnte der Staat den Unternehmen bei der Finanzierung helfen und nicht umgekehrt.
Und: Sicher kann ein bedingungsloses Grundeinkommen dazu beitragen, dass das Geld da ankommt, wo es wirklich gebraucht wird. Ich meine jedoch, es müssen zusätzlich neue Wege, wie zum Beispiel die Gemeinwohlökonomie, gegangen werden, um eine nachhaltige und zukunftsfähige Wirtschaft zu gestalten. Ernst Ullrich Schultz
Der Artikel ‹Negativzins – als ob gewisse Tiere juckten› können Sie hier lesen.
Titelbild: Detailausnahme von ‹Der Geldwechsler und seine Frau›, Quantin Massys, Öl auf Holz, 70,5 cm x 67 cm, 1514, Louvre