Urlaub nehmen von den eigenen Meinungen, damit man für Betrachtungen frei wird. Dies wünscht der Philosoph Peter Sloterdijk in einem Interview * möglichst vielen Zeitgenossen, denn es bringe eine «philosophische Tönung in das Leben».
Dabei berufe er sich auf Edmund Husserl, den Begründer der Phänomenologie in der Philosophie. Dieser habe gelehrt, dass Nachdenken etwas mit dem Zurücktreten aus dem alltäglichen Leben zu tun habe. Sloterdijk setzt nach, dass der Lockdown so etwas wie eine unfreiwillige Meditation sei. Es sei, so der Denker weiter, eine Übung, die der spirituellen Überzeugung folge, dass aus den eigenen Weltanschauungen Vorstellungen wachsen, die, ob man will oder nicht, in überflüssige Konflikte verwickeln. Sich von diesen Meinungen und Haltungen etwas zu befreien, sei deshalb nichts anderes als innere Friedensforschung. Es ist der gleiche Gedanke, den Rudolf Steiner an das Ende seiner ‹Philosophie der Freiheit› stellt: «Wer sich der Idee nicht erlebend gegenüberstellt, gerät in ihre Knechtschaft.» Ein Lockdown, das Eremitensein der Neuzeit, lädt ein, sich von dieser Knechtschaft zu befreien.
* Peter Sloterdijk in ‹Spitzentitel› auf Spiegel.de vom 26.11.2020.
Bild: Peter Sloterdijk, São Paolo, 2016. Foto: Fronteiras do Pensamento