Leben in einer vollen Welt

Wir leben in einer vollen Welt, sagt der Ökonom der Weltbank und Träger des Alternativen Nobelpreises Hermon Daly, aber unser Denken, unser Fühlen und Handeln stammen aus einer leeren Welt, einer Welt, die alle Expansion und alles Wachstum zulasse.


Selbst die Religionen, einmal in der leeren Welt entstanden, würden bis heute von einer solchen leeren Welt ausgehen. Längst ist unsere Welt eine volle Welt geworden. Eine Zahl: 30 Prozent des Lebendgewichtes der auf dem Land lebenden Wirbeltiere entfällt auf den Menschen, 67 Prozent auf Nutztiere und nur 3 Prozent auf Wildtiere. Neben uns Menschen ist also fast kein Platz mehr für das Leben.

Wie fängt man mehr Fische in einer leeren Welt, fragt Ernst-Ulrich v. Weizsäcker, Co-Direktor des Club of Rome. Man kauft mehr Netze, mehr Boote und stellt mehr Fischer an. Und wie erreicht man einen größeren Fang in einer vollen Welt? Antwort: Man gründet Fischereischutzgebiete und Fischfarmen und wirft Weibchen zurück ins Wasser.

In einer vollen Welt zu leben, heißt, dass eigenes Wachstum, Größer-, Wohlhabender- und Mächtigerwerden für andere bedeutet, dass sie kleiner, ärmer und machtloser werden. Das Fest ‹Johanni› befähigt zur vollen Welt, denn hier ruft Johannes der Täufer dazu auf, das Gegenteil zu tun, wenn er sagt: «Ich aber muss schwinden.» Eine volle Welt ist eine Johanniwelt, in der aus vielen Menschen eine Menschheit, aus vielen Lebewesen eine Erde wird.


Titelbild: Stéphane Zwahlen, Aus der Reihe: ‹Lichtblatt›: ‹Budhi – Substanzfließend durch 3 Ebenen› (Ausschnitt), Acryl auf Fabriano auf Alu, 64 × 96 cm, 2019.

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