Lebe-Wesen

Wie ich das ‹Wesen› im ‹Lebewesen› zu entdecken begann.


Es ist acht Tage her, dass mein Kind und ich ein Taubenküken unter einem Baum gefunden haben. An dem jungen Vogel waren schon Federn gesprossen, aber noch nicht entfaltet, und er sah recht gerupft aus. Außerdem war er recht unterkühlt. Nach einigen gescheiterten Versuchen, eine andere, professionellere Hilfe zu organisieren, war klar, der Vogel wird von uns aufgenommen oder er bleibt sich selbst überlassen. Die Aufpäppelung und Pflege unseres Zöglings hat mich so sehr an die erste Zeit nach der Geburt meines Kindes erinnert, dass mir das Wort ‹Lebewesen› seitdem richtig nahegeht. Es bedeutete für mich immer, dass alles andere auch lebendig ist – dass das Leben alles miteinander verbindet. Der zweite Teil dieses sehr deutschen Wortes steigt mir jetzt stärker zu Gemüte: In dem allverbindenden Leben wird ‹ge-west›, sind Einzelne, deren Lebensbedürfnis ganz gleich ist, die verschiedene Sprachen sprechen und einander suchen.


Foto Franka Henn

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