Landwirtschaftliche Visionen in Ost und West

Gemeinschaftsbildungen rund um landwirtschaftliche Höfe gibt es heute in vielen Ländern der Welt. Doch woher kommen die Ansätze, die fast zeitgleich in den USA, Deutschland und Japan entstanden?


In den Jahren 2007/08 arbeiteten wir beiden Autoren im Ideenzusammenhang der Sozialen Plastik gemeinsam für das Freiwillige Jahr Gesellschaftsgestaltung in Deutschland. Dann zog es den einen nach Brasilien, den anderen auf die Philippinen. Einige Jahre später fand jeder für sich eine neue mögliche Ausdrucksform der Sozialen Plastik: Wie wäre es, wenn soziale, solidarische Landwirtschaft (international eher als CSA bekannt = community supported agriculture) nicht nur regional, sondern global betrieben würde, für Produkte, die global gehandelt werden wie Kaffee oder Kakao? In den Philippinen entwickelte sich ein Projekt um den sogenannten Schleichkatzenkaffee, für den sich Kunden in Deutschland fanden, die diese Entwicklung ermöglichten und unterstützten. In Brasilien entstand ein Netz von etwa 200 CSA-Höfen. Doch die Partner aus Mexiko für das globale Kaffeeprojekt fand Hermann Pohlmann 2016 auf der Landwirtschaftlichen Tagung in Dornach.

Auf einer kürzlichen Online-Veranstaltung der Koordinationsstelle Asien der World Goetheanum Association stellte er dieses Projekt namens Teikei vor. Die anderen Referentinnen waren Alice Groh aus den USA, die zusammen mit Trauger Groh die CSA-Bewegung maßgeblich begründet hatte, und Wallapa van Willenswaard aus Thailand, die CSA in Verbindung mit Küchen von Krankenhäusern und Universitäten betreibt und im Vorstand der internationalen CSA-Vereinigung Urgenci tätig ist.

Der Begriff Teikei kommt aus dem Japanischen und benennt ein altes Konzept solidarischer Zusammenarbeit. Interessanterweise gibt es einen ähnlich klingenden Begriff mit derselben Bedeutung in der Sprache der Indios, wo der Kaffee von Teikei heute produziert wird. Allerdings, Teikei heißt in Japan auch das Konzept, das ganz dem der CSA entspricht. Viele Menschen in Japan und Korea sind so mit der Landwirtschaft verbunden. Wie konnte dieses Konzept fast zur selben Zeit in Japan entstehen, als es in den USA und Europa zum Durchbruch kam?

Im Westen kommt die ursprüngliche Ideensubstanz sicher von Rudolf Steiner, denn der Landwirtschaftliche Kurs etwa gibt nicht nur Einsichten in eine neue Agrikultur, sondern stellt deutlich klar, dass die ‹Höfe der Zukunft› (so der Titel von Trauger Grohs visionärem Buch) nur in neuen sozialen Zusammenhängen gedeihen können.

Woher kommt sie in Japan? Pohlmann fand zunächst heraus, wie die Sache auch allgemein beschrieben wird: dass die erste CSA in Japan von fünf Hausfrauen zusammen mit Bauern gegründet worden war. Es gelang ihm, eine der Gründerinnen persönlich zu treffen und zu interviewen. Im Gespräch mit der 80 Jahre alten Frau Toya wurde schnell klar, dass es sich bei den ‹Hausfrauen› um Intellektuelle handelte, denen aber zu jener Zeit in Japan eigene Hochschulkarrieren verwehrt waren. Sie studierten Philosophie und Ökonomie bei Teruo Ichiraku (1906–1994), der an der Universität von Tokio lehrte und in der CSA-Bewegung wirklich wichtig wurde. Aus der Sorge um die Landwirtschaft regte er bei seinen Studentinnen und Studenten ganz praktische Projekte an. Karl Marx und andere Philosophen wurden studiert. Gab es eine Alternative zu den zerstörerischen Wirkungen des Kapitalismus? Ja, die gab es. Sie fanden den Nationalökonomischen Kurs von Rudolf Steiner. Nach Aussagen von Frau Toya fand man hier die entscheidende Quelle, ein Modell einer neuen Ökonomie. Und deshalb gibt es auch bei Teikei in Japan keinen festen Preis. «Der Preis ist etwas Fluktuierendes im Quadrat», sagte Steiner (GA 340, S. 34).

So ist es in Japan und Korea, ähnlich wie in Brasilien, Deutschland und den USA: Nicht feste Preise bestimmen die Zusammenarbeit von Produzierenden und Konsumierenden, sondern alle an der Produktion Beteiligten werden nach ihren Bedürfnissen gefragt. Die Inspirationen im Osten wie im Westen gehen auf Rudolf Steiner zurück. Im Westen getragen von biologisch-dynamischen Landwirten, im Osten entwickelt im universitären Zusammenhang anhand von praktischen Forschungsprojekten.


Bild Biodynamischer Hof in Litauen. Foto: Lin Bautze

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