Angelika Feind spürt dem Leben von Jan Stuten nach und hat eine ausführliche Biografie mit zahlreichen Dokumenten veröffentlicht, die in Teilen zum ersten Mal einsehbar sind.
Beschäftigt man sich mit den Persönlichkeiten, welche um Rudolf Steiner die anthroposophischen Impulse auf ihrem jeweiligen Fachgebiet vertraten, stößt man unweigerlich auf Jan Stuten. Er spielte in den Gründerjahren und vor allem ab dem Bauimpuls in Dornach eine herausragende Rolle in allen künstlerischen Zusammenhängen. Vor allem als ausgebildeter Musiker brachte er sich ein. Darüber hinaus gibt es eindrucksvolle Bühnenbildgestaltungen bis hin zur architektonischen Konzeption eines Hauses.
Neben einem kurzen Blick auf Kindheit und Jugend ist der größte Teil des Buches Stutens Arbeit in Dornach gewidmet. Wie vielschichtig sein Einsatz an diesem Ort war, ist erstaunlich. Er komponierte zahlreiche Musiken für die ‹Faust›-Teile, die dort während des Ersten Weltkriegs einstudiert wurden. Auch verfasste er Stücke zur Eurythmie bis hin zu einer Oper über Merlin. Nicht zuletzt gab er Impulse zur Bühnenbeleuchtung sowie eindrucksvolle Vorlagen für Bühnenbilder, von denen einige im Buch abgebildet sind. Auch die Puppenspielkunst war ihm ein Anliegen, ebenso die Schaffung einer Alternative zur damals die Menschheit zunehmend in Beschlag nehmenden Filmkunst.
Konfliktfelder
Es gab aber auch zahlreiche Konfliktfelder, die ausführlich mit Quellenmaterial belegt sind. Ein Streitpunkt war zum Beispiel Stutens Funktion als Dirigent eines kleinen Orchesters, welches aus anthroposophischen Musikern bestand. Nicht alle waren mit seinem Leitungsstil einverstanden. Dass dies die Sektionsarbeit im Kern traf, wird aus den abgedruckten Briefen, Appellen und Streitschriften deutlich. Diese Dokumente erlauben auch Einblicke in mancherlei Vorgänge, welche in engem Zusammenhang mit Marie Steiners Stellung in der Anthroposophischen Gesellschaft stehen. Sie war Stuten als Verantwortlichem für die musikalischen Belange am Goetheanum auf besondere Weise verbunden. Rudolf Steiner hatte ihn dort ‹positioniert›. Ein weiteres Spannungsfeld waren die von Stuten organisierten Musikertagungen nach Steiners Tod. Während er offen war für Präsentationen aktuellen Musikschaffens auch von nicht anthroposophischen Künstlern, sahen einige Persönlichkeiten dies als unangebracht für einen vom Goetheanum ausgehenden Impuls an. Im Rückblick leistete Stuten hier aber eine enorme Arbeit, welche in beide Richtungen befruchtend wirkte.
Bühne und Verbundenheit
Mit der Goetheanum-Bühne war Jan Stuten aufs Engste verbunden, als Bühnengestalter für Steiners Mysteriendramen, für Goethes ‹Faust›, für Steffen-Dramen und als Schauspieler. Hierfür kann ein von der Autorin angeführtes Zitat Werner Teicherts stehen, welches in schöner Weise Stutens diesbezügliches Wirken würdigt: «Die Zusammenarbeit mit Stuten war immer anregend, und im Austausch der künstlerischen und technischen Fragen standen stets die Gesichtspunkte an erster Stelle, die der Sache am dienlichsten sein konnten. Jan Stuten war ein eigenwilliger Künstler, der sich aber besseren Einsichten nie verschloss. Es war letzten Endes immer ein Gewinn, mit ihm zusammen an der Inszenierung eines Bühnenstückes zu arbeiten.»1
Beachtenswert sind auch Stutens Überlegungen zu einer Neugestaltung der Anthroposophischen Gesellschaft aus dem Jahr 1946. In seinem Entwurf gliederte er die Hochschule in elf Sektionen, wobei eine neu zu schaffende für Philosophie und, was überraschen mag, eine Sektion für den Nachlass Rudolf Steiners unter der Leitung Marie Steiners gegründet werden sollte. Aus heutiger Sicht wäre dies durchaus eine Möglichkeit gewesen, die beiden Interessensfelder zu versöhnen, die zu den Verstrickungen und der schlussendlichen Auslagerung von Steiners Erbe in den Nachlassverein führten. Doch trotz aller Schwierigkeiten gab es immer auch ein enormes Ringen der betroffenen Menschen um der Sache selbst willen, also Rudolf Steiners Anliegen und der Anthroposophie zu dienen. Im Rückblick ist dies bewundernswert, gerade angesichts der oftmaligen Schwere der Konflikte. Ein angegriffenes Herz führte zu Stutens frühem Tode im Jahr 1948. Eigentlich hatte er geplant, nach England auszuwandern, wo es einen Menschenkreis gab, dem er sich verbunden fühlte. Angelika Feind-Laurents beschreibt, dass Jan Stuten als «harmoniebedürftig geschildert» wurde, «als ein Mensch, der versuchte, seinen Standpunkt verständlich zu vermitteln, und der wohl sehr lange auf eine gemeinsame Linie hoffte, und der doch ständig in der Mitte der Auseinandersetzungen stand. Es mag schwer für ihn gewesen sein, dass gerade seine soziale Seite immer weniger zum Tragen kam und er sich schließlich in völliger Isolation fühlen musste.» Doch gerade deshalb «bleiben Staunen und Dankbarkeit angesichts dieser Biografie. Ein reiches Leben, erfüllt von Hingabe an Rudolf Steiners Impulse für eine geistgemäße Erneuerung der Kultur.»
Buch Angelika Feind-Laurents: Jan Stuten. Verlag am Goetheanum, Dornach 2022