Im Gartenpark des Goetheanum stehen eine Reihe von Skulpturen. Barbara Schnetzler von der Sektion für Bildende Künste betrachtet sie für uns.
Im Osten des Goetheanumgeländes stehen auf der Anhöhe neben der Sternwarte vier zweiteilige Skulpturen. Die rechteckigen Stelen tragen jeweils eine kreisrunde, leicht geformte Scheibe. Königlich stehen sie in der Natur und empfangen in der Früh das erste Morgenlicht. Als Tor des Morgens führen sie die ersten Sonnenstrahlen zum Goetheanum herüber. Ihre langen Schatten strecken sich dann weit übers Feld. Im Laufe des Tages ziehen sich diese zurück, ehe sie abends wieder in ihren Rücken über den Wiesen erscheinen. Das kreuzförmig angelegte Skulpturenensemble wurde nicht zufällig an diesem Ort auf erhöhter Lage platziert. Die Stelen lassen uns den Sonnenlauf erleben, schaffen Ordnung und Orientierung in der Umgebung.
Im genaueren Hinschauen sehen wir, dass die Steinscheibe im Norden mit konkaven Flächen gestaltet ist, die im Osten ist doppelt gebogen – also konvex und konkav zugleich; die im Süden wölbt sich in konvexer Gestaltung und die im Westen zeigt gerade, feste Flächen. So repräsentieren diese vier Stelen, die jeweils den Standpunkt einer Himmelsrichtung einnehmen, die vier plastischen Urkräfte – die Kräfte, die allem Lebendigen zugrunde liegen.
Die plastischen Entwürfe für diese Arbeit hat Christian Hitsch geschaffen, der sich dabei von der Formenlehre des Malers und Plastikers Wilhelm Reichert hat inspirieren lassen. Die handwerkliche Umsetzung in Granit hat die Bildhauerin Mirela Faldey ausgeführt. So ist nicht nur die Entstehung dieses Werks ein Zusammenwirken von Menschen, auch die Skulptur selbst ist ein Zusammenklang dieser vier Kräfte. Gerade dieses Zusammenwirken der Figuren, in dem jede einem Übergeordneten dient, schafft zwischen ihnen diesen belebten Innenraum, der kraftvoll in den Umkreis wirkt. Dieses Skulpturenensemble in seiner kreuzförmigen Ausrichtung und seinem ordnend-schwingenden Rhythmus erinnert an die mantrischen Worte des Grundsteins von Rudolf Steiner.
‹Vier Urformen›. Plastischer Entwurf von Christian Hitsch, Ausführung in Granit durch Mirela Faldey, Foto: B. Schnetzler.