Die ‹Dreigliederung des sozialen Organismus und die Aufgabe der Jugend›, so war der Titel der Februar-Tage, die von der Jugendsektion veranstaltet wurden. Rosario Gabrielli berichtet davon.
Zweifellos stehen wir weltweit vor schwierigen Zeiten. Selbst die Umweltbedingungen verändern sich und wirken sich durch Klimaextreme auf uns aus. Sie scheinen die neuen Rahmenbedingungen zu bilden, die unsere Zukunft sozialer Probleme und Spannungen begleiten. Wie können wir aber dazu beitragen, den sozialen Organismus so umzuwandeln, dass er gesund wird? Welche Maßnahmen müssen wir ergreifen, wenn wir das Ziel verfolgen, die Utopie einer besseren Welt Wirklichkeit werden zu lassen? Sicherlich erfordert die Entwicklung ein Bewusstsein für die Bedürfnisse anderer. Dazu gehört das Ergreifen von Maßnahmen für eine bewusstere Wirtschaft, ein Überdenken der ethischen Werte in unserer Weltgesellschaft. Doch wie können wir aus dem eigenen situativen Kontext Werte in unserem täglichen Leben kultivieren?
Während der Februartage (16. bis 19. Februar 2023) stellte die Jugendsektion des Goetheanum einen Ort zur Verfügung, um diese Fragen zu vertiefen. Das Organisationsteam, bestehend aus Jacinta Gorchs, Gabrielle Nys, Layla Rosas und Rosario Gabrielli, lud zusammen mit Nathaniel Williams, dem Leiter der Jugendsektion, vier Redner ein. Es ging um Erfahrungsaustausch und die Arbeit an einem besseren Verständnis verschiedener Aspekte der Wirtschaft. Max Ruhri, Geschäftsführer der Freien Gemeinschaftsbank Basel, Holger Wilms von der Stiftung Wege zur Qualität, Cristóbal Ortín, Pfarrer der Christengemeinschaft und Mitglied des Instituts für Soziale Dreigliederung, und Götz Feeser, Vorstandsmitglied des Presencing Institute, Theory U halfen, diese Fragen zu vertiefen.
Neues Geld und Qualität
Max Ruhri teilte mit uns einen interessanten Ansatz, wie ein Organismus oder eine Institution am Leben erhalten werden kann. Er schlägt vor, dass man Zeit aufbringt, die Aufmerksamkeit wieder auf die Menschen zu lenken, anstatt mit konventionellen Managementformen zu arbeiten, die auf festgelegten Regeln beruhen, die für die heutigen Anforderungen möglicherweise nicht mehr zutreffend sind. Wenn man auf die persönlichen Bedürfnisse der Menschen hört und ihnen die Gelegenheit gibt, diese zu diskutieren, kann man neue ‹Lösungsfindungswege› schaffen und Menschen dazu bringen, sich in ihrer Arbeit sicherer und engagierter zu fühlen. Ruhri sprach auch darüber, wie wichtig es ist, einen neuen Umgang mit Geld zu kultivieren. Die Menschen sind bereit, mehr zu geben und weniger zu gewinnen, wenn Transparenz und eine klare Perspektive bestehen, was ihr Geld erzeugt. Holger Wilms brachte die Frage zum Qualitätsmanagement mit. Standardisierung, Mechanisierung und technische Verfahren bei der Erstellung eines Produkts oder einer Dienstleistung lassen möglicherweise den wichtigsten Akteur außer Acht: den Einzelnen. Der Kern sollte jedoch der Mensch bleiben, daher sind Konzepte wie Freiheit, Vertrauen, Verantwortung, Schutz und finanzielle Unterstützung einige der vielen Schritte zum Aufbau einer inklusiven, fürsorglichen Gemeinschaft. Cristóbal Ortín erzählte eine Geschichte, um einige Wertvorstellungen zu veranschaulichen, und zeigte uns die Präsenz von drei Sphären, die im Gleichgewicht bleiben müssen, wenn wir gesunde, soziale Aspekte berücksichtigen. Das Fehlen einer dieser Sphären kann nur zu einem Ungleichgewicht des Organismus führen. Götz Feeser erläuterte einige Grundgedanken der Theorie U und deren Umsetzung. Der Schwerpunkt lag auf der Qualität der Beziehungen innerhalb einer Institution. Er ermutigte uns, einander mit offenem Geist, offenem Herzen und offenem Willen zuzuhören. Wenn eine Gemeinschaft tiefere und subtilere Formen der Verbindung herstellt, kann ein Gestaltungsraum entstehen.
Zur Tagung luden wir auch eine Gruppe von ca. 35 Teilnehmenden ein, mit denen wir die Dynamik sozialer Begegnung durch Bewegung und Kunst erkunden wollten: Die Schritte des anderen zu hören, den Raum wahrzunehmen, in dem wir uns begegneten, Dialoge durch Farbe zu starten oder unseren eigenen Weg in der Gruppe zu finden, ohne den Anschluss zu verlieren, gaben uns Momente eines praktischen Einblicks. Soziales Verständnis erfordert ein konkretes und sensibles Bewusstsein für den anderen, und wenn dies geschieht, kann es eine Veränderung auslösen.
Die Februartage hinterließen einen starken Eindruck. Wir erkannten, wie wichtig es ist, Erfahrungen und Einstellungen zu Problemen auszutauschen und kreative Wege zu ihrer Lösung gemeinsam zu finden. Am Ende zeigten die Teilnehmenden einige der Projekte, an denen sie momentan arbeiten und die in verschiedenen Ländern stattfinden – darunter die Internationale Jugendtagung im kommenden August in Georgien, der Start einer Jugendsektion in Italien, künstlerische Projekte wie das Drehen eines Films und noch viele andere neue Vorhaben, die sich noch in der Entwicklungsphase befinden. Ihre Verwirklichung zu sehen, gibt mir eine Art Erfolgserlebnis: Ideale finden ihren Weg in die Welt – in den Händen junger Menschen.
Fotos von Emily Watson