Intimität ist in und außerhalb meiner selbst. In der Trockenheit und Einsamkeit der Wüste werde ich auf mich zurückgeworfen, während auf Island das Spiel des Wassers in allen Formen mich ständig einlädt, einzutauchen, an meiner Außengrenze berührt zu werden, in Verbindung zu kommen. Beide Landschaften sind wunderschöne Einöden; sie sind elementar, archaisch und herausfordernd. Sie sind nicht leicht zu betreten und zu erkunden. Wer seinen Weg in sie hineinfindet, wird mit Stille belohnt. Zunächst ist diese Stille außen und aufwühlend, eine tosende Stille. Die Elemente, in die wir hier unverstellt wieder eintauchen dürfen, die die leibentfremdeten Schichten unseres Alltags nach und nach von uns abschälen, sind besonders kraftvoll und roh. Ihre Intensität liegt darin, dass wir uns ausgesetzt fühlen. Ausgesetzt einer Welt, die wir nicht geschaffen haben. Wieder demütig geworden im Anblick der Schöpfungskräfte. Bescheiden geworden von dem Gefühl, diesen Gewalten zuerst nichts erwidern zu können. Es ist eine Demütigung, die befreiend ist – oder? Wir können endlich einfach sein und aus dem Traum von menschlicher Allmacht aufwachen. Die Innerlichkeit, die innere Stille, die wir in der Natur aufsuchen können, führt manchmal zu liebender Andacht, manchmal noch weiter hinab in die Untiefen der Seele. Was aber in dem Konflikt reift, ist ein Moment der Intimität mit uns selbst. In der Wüste ist dieser Moment eher ein vertikales, in den Wassern von Island eher ein horizontales Erlebnis. Es bleibt der Eindruck, als würde in der Wüste ein Bild leben von einer Bewegung aus dem Feuer der Sonne in die Erde, vom Geistigen in die Materie hinein. Während auf Island ein Wasser-Luft-Gemisch die Seele weit der Welt aufschließt. In der Verbindung beider Erfahrungen liegt vielleicht die wirkliche Intimität: als der unfassbare Punkt in der Kreuzung dieser beiden Bewegungen, der uns mit uns selbst und dem anderen gleichzeitig verbindet.
Foto Gilda Bartel, Komposition: Fabian Roschka
