Das neue Buch von Armin Husemann ist ein Spagat zwischen Fachbuch und Lesebuch, mit dem Anliegen, unser Verständnis des Herzorgans zu spiritualisieren.
Ist das Herz eine Pumpe? Seit Beginn der Industrialisierung in der westlichen Welt entwickelte sich zunehmend die mechanische Betrachtung des menschlichen Körpers und seiner inneren Organe. Im Kontext der Anthroposophischen Medizin wurde bereits früh (1920) die Frage nach einer ganzheitlichen Betrachtung des Herzens aufgeworfen, in der neben der körperlichen auch die seelische und geistige Wirksamkeit berücksichtigt wird. Armin Husemann baut in seinem Buch auf den Forschungsergebnissen seiner anthroposophischen Kollegen auf (u. a. Hermann Lauboeck, Hans Christoph Kümmell, Paolo Bavastro) und setzt diese und die Ideen Rudolf Steiners durch seine eigenen Erkenntnisse in Beziehung zu den Forschungsarbeiten des amerikanischen Physiologen Arthur Guyton und des Anästhesisten Branko Furst.
Der Autor beschreibt phänomenologisch die Entwicklung des Herz-Kreislauf-Systems, die Blutbewegung als Ursache der Herzfunktion und den Zusammenhang des Seelenlebens mit der Kreislaufmodulation, bis hin zur Bedeutung des Herzens als Organ des menschlichen Ich. Im zweiten Buchteil geht Armin Husemann auf den Zusammenhang der Herz-Kreislauf-Funktion mit verschiedenen Tätigkeiten des Menschen ein. Dabei betrachtet er unter anderem das Herz als Gleichgewichtsorgan, stellt anhand von Ultraschallbildern die Formkraft der Sprache auf das Blut dar, um im 7. Kapitel anhand der Medici-Kapelle «die drei Säulen jeder Kultur – Wissenschaft, Kunst und Religion» zusammenzubringen. Im 8. Kapitel behandelt er die Beziehung des Teils und des Ganzen anhand verschiedener Organe und im Verhältnis von Wahrnehmung und Denken.
Armin Husemann schafft mit diesem Buch ein Werk, das zum Teil Lesebuch und zum Teil Fachbuch ist, teils voraussetzungslos, teils auch nur mit Kenntnis der Anthroposophie verständlich. Beim unmittelbaren Lesen scheint, gerade im zweiten Teil, ein roter Faden nicht erkennbar. Wer den Autor kennt oder mit Vorwerken vertraut ist, kann allerdings einen musikalischen Aufbau ähnlich einer achtstufigen Tonleiter entdecken, wobei sich in jedem Kapitel eine intervallähnliche Qualität heraushören lässt.
Der Leser selbst wird von einer mechanischen Betrachtung des Herzens zu einem lebendigen Verständnis geführt. Der Autor arbeitet mit bekannten naturwissenschaftlichen Phänomenen und bringt sie in einen neu geordneten Zusammenhang. Er gibt der peripheren Flüssigkeitsorganisation eine noch nicht benannte Rolle für eine gerichtete Blutbewegung, sodass dem Herz statt der bisherigen mechanisch verstandenen Tätigkeit eine neue Bedeutung für die seelisch-spirituelle Dimension des Menschen zukommen kann.
Er endet mit der Entwicklung einer Art ‹spirituellen Physiologie› der Verantwortung und des menschlichen Gewissens. Es gelingt Husemann eine Weiterentwicklung der Herz-Kreislauf-Physiologie unter Einbeziehung der Anthroposophischen Medizin. Das Buch eignet sich für diejenigen Menschen, denen ein spirituelles Verständnis eine Herzensfrage ist.
Armin J. Husemann, Die Blutbewegung und das Herz, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 2019