G. W. F. Hegel spielt in Rudolf Steiners Philosophie eine große Rolle – eine Spurensuche zu Hegels 250. Geburtstag.
Am 27. August wurde der 250. Geburtstag des Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) gefeiert. Einige Beiträge dieser Zeitschrift haben dieses Ereignis bereits gewürdigt. Es ist bemerkenswert, wie Hegels Philosophie durch die letzten zweieinhalb Jahrhunderte zuerst geschätzt wurde, dann stark zurückging, um sich im Laufe des letzten Jahrhunderts wieder weltweit auszubreiten. Hegel selbst ist auch einen langsamen Weg bis zum Gipfel seiner Anerkennung, etwa als ‹Nationalphilosoph›, gegangen. Es war das Verdienst Hegels, die Philosophie zur höchsten Höhe der reinen Idee zu erheben, und dennoch hatte seine Philosophie dadurch das Schicksal erleben müssen, dass diese Höhe des Gedankens nicht hinreichte. Das Unbefriedigende seiner Philosophie wurde besonders nach seinem Tod empfunden. Das positivistische Zeitalter wollte mit Charles Darwin und Ernst Haeckel den Entwicklungsgedanken nicht mehr idealistisch deuten. Die ‹Links-Hegelianer› auf der einen Seite und auf der anderen radikale Philosophen wie Max Stirner zogen ganz andere Konsequenzen aus der Hegel’schen Philosophie, als es Hegel intendiert hatte, und untergruben die idealistische Basis. Die menschliche Gattung (Ludwig Feuerbach und Karl Marx) oder das freie Individuum, das ‹seine Sache auf Nichts stellte› (Max Stirner), traten an die Stelle der schöpferischen Idee, des Weltgeistes, der bei Hegel die Weltgeschichte noch regieren sollte. Hegels System wurde negiert und die Philosophie schien wissenschaftlich ernüchtert wieder ganz von vorne anzufangen. Dass war die Lage, die Rudolf Steiner vorfand, als er sich in das Gebiet der Philosophie einzuleben begann.
Seitdem hat die Hegel’sche Philosophie bis zu dem Respekt, den sie heute wieder genießt, einen langen Weg zurückgelegt. Zu diesem Resultat gehört eine lange Liste von Namen aus dem vorigen Jahrhundert wie Jean Paul Sartre, Ernst Bloch, Theodor Adorno, Hans-Georg Gadamer oder Stanley Rosen. Es gab Neuausgaben von Hegels Schriften, ein Hegel-Archiv in Bochum, die Hegel-Studien, Kommentare und mehrere Hegel-Gesellschaften.
Der junge Rudolf Steiner entdeckt Hegel
Rudolf Steiner schildert in ‹Mein Lebensgang›, dass er die Philosophie durch Immanuel Kants ‹Die Kritik der reinen Vernunft› kennenlernte, die er als Schüler im Schaufenster einer Buchhandlung in Wiener Neustadt liegen sah und eifrig studierte.1 Als er mit 18 Jahren in Wien ankam, wo er an der Technischen Hochschule studieren sollte, kaufte er sich antiquarisch «eine größere Zahl von philosophischen Büchern». Vor allem Fichte und Herbart (Kants Nachfolger in Königsberg) waren ihm wichtig. Dann: «Ich rang mich zu Schelling, zu Hegel durch.»2 Hegel wird ein ‹Lebensbegleiter›, wie er ihn später nannte. Rudolf Steiner war die Geistwelt in der unmittelbaren Anschauung bewusst, nun suchte er dazu eine philosophische Anschauung des Geistes in Natur und Menschen: «Das trieb mich zu einem eingehenden Studium Hegels. Die Art, wie dieser Philosoph die Wirklichkeit des Gedankens darstellt, war mir nahegehend.»3 Als Rudolf Steiner 21 Jahre alt war, hatte diese Auseinandersetzung so weit Früchte getragen, dass er sich sagen konnte, dass im Gedankenerleben, wie es durch Hegels Philosophie erlebt werden kann, «…nimmt [man] den Seelenweg zu dem Geiste hin».4 Nur die Abstraktheit der Begriffe hinter sich lassend, kann man im geistigen Schauen des Denkens Besonnenheit und Helligkeit bewahren. So lebt man wach in der geistigen Wirklichkeit.
Hegels Nase
Hatte Rudolf Steiner schon in Wien sich intensiv, aber rein innerlich mit Hegel auseinandergesetzt, so kam in Weimar ein äußeres Ereignis dazu. In ‹Mein Lebensgang› (Kap. XXI) erzählt Steiner: «Ein Bildhauer wollte mir seine Arbeiten zeigen. Mich interessierte im Grunde recht wenig, was ich da sah. Nur eine einzige Büste, die verloren in einer Ecke lag, zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Es war eine Hegelbüste.» Steiners Freund Neuffer, der davon hörte, versuchte die Büste zu erwerben, um sie Rudolf Steiner zu Weihnachten zu schenken. Er ging zu der Wohnung hin, aber scheinbar umsonst, da die Büste unauffindbar war: «Das Dienstmädchen kam hinzu. […] ‹Hegel›, warf das Mädchen ein, ‹ist das vielleicht der Kopf mit der abgebrochenen Nasenspitze, der in der Dienstbotenstube unter meinem Bette liegt?› – Neuffer konnte […] die fehlende Nasenspitze ergänzen. Und so kam ich denn zu der Hegelbüste, die zu dem Wenigen gehört, was mich dann an viele Orte begleitete. Ich sah immer wieder gerne nach diesem Hegelkopfe hin, wenn ich mich in Hegels Gedankenwelt vertiefte. Und das geschah wirklich recht oft. Die Züge des Antlitzes, die menschlichster Ausdruck des reinsten Denkens sind, bilden einen vielwirkenden Lebensbegleiter.» Bemerkenswert ist, das Rudolf Steiner hier noch hinzufügt: «So war es bei Neuffers. Sie waren unermüdlich, wenn sie es dahin bringen wollten, jemand mit etwas zu erfreuen, das besonders mit seinem Wesen zusammenhing.»
Doch auch der Humor des Weltgeistes spielte mit. Die Büste muss wohl auf das Gesicht gefallen sein. Gerade diese Verletzung der Nase hat ihre sokratische Ironie. Denn durch die Sinne wirken die Wesensglieder des Menschen und durch den Geruchssinn die Bewusstseinsseele.
Die liegen gelassene Hegelbüste ist wohl ein Zeitbild für das mangelnde Interesse an der idealistischen Philosophie. Sein Lehrmeister und Freund Karl Julius Schröer fühlte sich als einer der ‹Totengräber› (Rosenkranz) der großen Idealisten Goethe und Hegel. Diese Stimmung vermittelte Schröer dem jungen Steiner. Dieser hatte somit ein Interesse an der verlorenen Hegelbüste. Zwar war es ein Zufall, dass die Büste vergessen da lag und die Nasenspitze fehlte. Doch auch der Humor des Weltgeistes spielte mit. Die Büste muss wohl auf das Gesicht gefallen sein. Gerade diese Verletzung der Nase hat ihre sokratische Ironie. Denn durch die Sinne wirken die Wesensglieder des Menschen und durch den Geruchssinn die Bewusstseinsseele.5 Es sind die Fühler der Seele, die durch die Schleimhaut der Nase hinausstrebt, hier begegnet ihr das elementare Willensartige des Stoffes, der Geruch. Wille setzt sich gegen Wille. Der Geruch, sagt Hegel, ist das Verzehren des Körpers in der Luft, der seine Eigentümlichkeit nach außen kehrt, sich in der Luft verzehrt. Wir riechen nicht nur Qualitäten, sondern das Ding an sich, die duftende Rose usw. Mit der Bewusstseinsseele berührt das Ich das individualisierte Ding (‹Nicht-Ich›), seinen Geruch. Diese leise Dialektik des Subjekt-Objekt-Verhältnisses im Sinnesleib ist es, die im Verstand begrifflich erscheint und in der Bewusstseinsseele bewusst wird. Michael Kirn hat darauf hingewiesen, wie Hegels Analyse von ‹Kraft und Verstand› im dritten Kapitel der ‹Phänomenologie des Geistes› auf dem unterschwelligen Miterleben des Geruchssinnes beruht.6 Hegel legt dar, wie alles Reden von hypothetischen Kräften in der Welt (Gravitation, Elektrizität, Magnetismus usw.) nur auf die Berechenbarkeit, auf das Maß der Veränderungen der Erscheinungen hinzielt (u. a. Newtons drei Gesetze) und wie dieses nur das Spiegelbild des unterscheidenden und beziehenden Begriffs im Verstand ist. Statt des Geruchserlebnisses entsteht hier aus der Begegnung des tätigen Verstandes mit dem Kräftewirken in der Erscheinung (also Wille gegen Wille) das sublimierte Erklären durch ein Gesetz der Kraft (Begriffsverhältnis). Hier ist für Hegel der Ort, wo aus der wissenschaftlichen Weltbetrachtung das Selbstbewusstsein im Denken erlebbar hervorgeht. Das Wirkende in der Welt erscheint als Begriff, der wir als Ich (Verstand) selbst sind. Das (‹rhinische›) Tier findet instinktiv riechend seinen Weg. Beim Menschen ist dieser wegweisende Geruchssinn zurückgedrängt, um dem selbstbewussten begrifflichen Wissen, dem Ich, Platz zu machen.
Hegel und die Goethe’sche Weltanschauung
Rudolf Steiner vertiefte sich in der Weimarer Zeit «recht oft in Hegels Gedankenwelt». Das wichtigste Zeugnis davon ist das kurze Kapitel ‹Goethe und Hegel› in ‹Goethes Weltanschauung› (GA 6). Goethe entdeckte die Gesetze der Metamorphose organischer Erscheinungen. Hegel hat sich zum «Philosophen der Goethe’schen Weltanschauung» erhoben, indem er die Metamorphose der Ideen verstand. Die Metamorphose vom einfachsten Begriff des reinen ‹Seins› bis zur Idee der Philosophie, die reichste Idee (die Idee der Idee). Hier führt Hegel weiter, wo Goethe mit seinen Ideen der physischen Urphänomene, der Urpflanze und des Urtiers stehen bleibt. Hegel entwickelt diese Ideen in seiner ‹Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften› (1818). Er erkennt zwar die ganze Welt in ihrem allgemeinen Gedankengehalt, zeigt damit aber auch die Grenze an, an der seine Philosophie angekommen ist. Goethe und Hegel fehlt die Anschauung des innersten Wesens der Gedankenwelt, dort, wo das Ich in der Selbstbeobachtung das Hervorgehen der Idee aus dem produktiven Geiste anschaut. Dies ist zugleich die Anschauung der Freiheit. Nicht das Denken des Ideengehalts der Welt, sondern das Anschauen des Denkens ergibt den ‹Befreiungsakt›, in dem man die Kraft in sich wirken sieht, die in der Natur die Erscheinungen hervorbringt. Das ist die Abgrenzung, die Rudolf Steiner schon in seiner ‹Philosophie der Freiheit› (GA 4) gegenüber Hegel vornimmt: Die in sich ruhende, durch nichts bestimmte Natur des Denkens kann nicht auf Begriffe übertragen werden. «Ich bemerke das hier ausdrücklich, weil hier meine Differenz mit Hegel liegt.»7 Die Idee erscheint zuletzt vom anthroposophischen Gesichtspunkt aus nur als Abbildung des lebendigen Geistigen in der Geistwelt.
Die Wissenschaft der Logik
Zur Selbsterkenntnis gehört für Hegel das Verständnis des Menschen für seine Vernunftnatur. Der Duktus und Rhythmus dieser Logik ist nicht so schwierig, dass man sie als philosophischer Laie nicht erfassen könnte. Denn die Logik ist dem Leben nah. Im ‹Goetheanum› 17/2019 habe ich gezeigt, wie man anhand der ersten Nebenübung auf das Grundgerüst der dort enthaltenen zwölf Kategorien stößt. In seinem Vortrag über die Kategorien Hegels stellt Rudolf Steiner auch die Entwicklung der Begriffe dar, aber direkt sich an die größeren Rhythmen der Begriffsentfaltung wendend.8
Der umfassendste Begriffsrhythmus ist der von Sein, Wesen und Begriff. Dieser ist auch ein Kreis, denn wir enden ja mit dem Begriff, in dem sich erhellt, was die Begrifflichkeit am Begriff des Seins anfänglich war. Umgekehrt dreht sich der Kreis auch in der anderen Richtung: Was heißt es, dass ein Begriff ‹ist›? Das Ende der Logik ist nicht der Begriff im Allgemeinen, sondern der ‹daseiende Begriff›, das konkrete Denken, das wir tun, die ‹Dialektik in Aktion›, das ‹Ich› (als Begriff). Also Sein, Wesen und Begriff sind die großen Stationen, gleichsam die ‹Überschriften› der drei Teile der Logik. Das Sein ist das Unmittelbare der Welt, der wir noch qualitätslos begegnen. Wir können uns irren und müssen lernen, zu bestimmen, was wir in der Welt antreffen, aber dass etwas – vielleicht auch nur eine Illusion – ‹da› ist, macht das ‹Sein› der Sache aus. Das Wesen ist eben nicht dieses Unmittelbare, aber das, was man entdeckt, das in der Sache enthalten ist. Das Denken bringt es hervor aus dem Sein der Sache. Der zweite Teil der Logik ist darum eine ‹Lichtlehre›. Das Sein stellt sich heraus als ‹Schein›. Es beruht nicht auf sich, doch es erhält sein Sein vom ‹Wesen›: eine ‹Vermittlung› oder das ‹Scheinen› des Wesens in oder durch das Sein, das sonst nur äußerer Schein wäre. Es hat erst dem Wesen zu entsprechen, um nicht nur den Schein des Menschen zu haben, wie ein Roboter, sondern wirklich Mensch zu sein, zu ‹erscheinen› als denkender Mensch. Diese tatsächliche Entsprechung von innerem Wesen und äußerer Erscheinung nennen wir auch ‹Wirklichkeit›, philosophisch: die ‹Substanz› mit ihren Wirkungen. Der dritte Teil der Logik handelt vom Begriff, womit das Wesen erfasst wird. Da es dem Wesen damit nicht fremd ist, sondern das Wesen in den Begriff eingeht, haben wir hier nicht ein Licht, das in der Welt scheint, sondern das ‹Scheinen in sich›. Der Begriff gibt sich, für was er ist. Da steckt nicht ein Wesen gleichsam erst dahinter, sonst würden wir nie einen Begriff ‹begreifen› (was Nominalisten auch nicht glauben). Das Wesen gibt sich hier nicht kund in einer von ihm trennbaren äußeren Erscheinung in der Welt, sondern wir sind angelangt beim Wesen, wie es in sich, in der Weltsubstanz des Geistes, scheint oder ‹aussieht›. Allerdings müssen wir den Begriff erst noch befreien aus seiner Abstraktion der formalen Bestimmungen der Logik und mit ihm untertauchen in die Welt, um damit deren Wesen zu erkennen, mehr noch, die Welt umzubilden nach den begrifflichen Zielen der Vernunft. Erst so ist der Geist in der Form als erkennender und moralischer Mensch anzuschauen als stehend in der Geistsubstanz der Welt. Dass wir zu etwas am Anfang sagten, ‹es ist›, wird gleichsam die Aussage: ‹das ist Fleisch von meinem Fleisch›, denn es entspricht einem, wenn auch nur dem einfachsten Begriff, den wir aus unser Geistsubstanz hervorholen. So schließt sich der Kreis, oder anders gesagt: es ist ein Licht vom Anfang bis Ende, worin etwas Seiendes erscheint, das Scheinen des Wesen ist und das im Begriff erfasst wird oder sich transparent ist. Mit dieser Denkanstrengung kann der Meditierende sich zum reinen Denken erheben, um alle «Lässigkeit und Lottrigkeit der Begriffe» auszutreiben, wie Rudolf Steiner sagt. 9 Aber dieses ‹Work out› im Denken hat noch einen weiteren Zweck.
Berliner Zeit: die Kategorien der Geheimwissenschaft
Das Excercitium der Logik ist zudem eine Vorbereitung der ‹Geheimwissenschaft im Umriss› (GA 13), und zwar ein Entgegenkommen im Begriff. Die Welt des Seins sind ja die Bestimmungen der Weltsubstanz der ersten Hierarchie (die ‹Kräftegeister›), die Welt des Lichts, der Reflexionen des Wesen, die Bestimmungen der zweiten Hierarchie (die ‹Lichtesgeister›), und die Welt des Begriffs, des Bewusstseins, sind die Bestimmungen der dritten Hierarchie (die ‹Seelengeister›). Einige Bespiele mögen dies verdeutlichen.
Eine Schöpfung aus dem Nichts leisten wir aber tatsächlich bei einem nicht vorher bestehenden Gedanken, den wir verwirklichen. Wäre das Sein nicht durchlöchert mit dem Nichts, so wäre dies unmöglich.
Nach außen gewendet scheinen die Begriffe der Seinslogik (Sein – Nichts – Werden – Qualität – Quantität – Maß) armselig und fast nicht der Mühe des Denkens wert. Rudolf Steiner empfiehlt aber zur Meditation schon den Anfang mit Sein und Nichts, denn sonst würde man später auch nicht den Begriff der Freiheit erfassen können. ‹Sein› ist dem Umfang nach der größte und dadurch leerste oder ‹toleranteste› Begriff, denn er umfasst alles, sogar noch sein Gegenteil: das Nichts. Auch dass Nichts ‹ist›, kann man einem Sein in der Welt zuschreiben. Wäre alles ‹voll›, bestimmt und determiniert, so käme man nie auf etwas für die Welt richtig Neues. Eine Schöpfung aus dem Nichts leisten wir aber tatsächlich bei einem nicht vorher bestehenden Gedanken, den wir verwirklichen. Wäre das Sein nicht gleichsam durchlöchert mit dem Nichts, so wäre dies unmöglich. Es ist dies die Meditation des Nirvana. 10 Nun ist klar, das zeugende Sein der Welt, nicht nur das Bestehen der Materie (Newtons feste Maßverhältnisse), hält auch dieses Nichts der Freiheit im Sein offen, zeigt das saturnische Willensopfer der Throne, die Welt bis jetzt noch tragend.
Die Wesenslogik ist der Bereich der gegensätzlichen ‹Vermittlungen› von Wesen und Erscheinung, aber auch feinerer Begriffe von Form und Inhalt, vom Ding und seinen Eigenschaften, von Innen und Außen, Kraft und Wirkung. Hier sind wir im Bereich der Geister der Form, die die bleibenden Bestimmungen verleihen an den entwickelnden (dinghaften) Leibern; wir sind im Bereich der Geister der Bewegung, die eben diese Vermittlungen zwischen Innen und Außen, Kraft und Wirkung im Lebendigen und von Wesen zu Wesen als solchen zur Haupttätigkeit haben; und im Bereich der Geister der Weisheit, wo die erscheinende Welt weisheitsvoll, zusammenhängend und harmonisch gegliedert und gewoben wird, zu einem sich nicht zerstörenden, sondern einheitlich entwickelnden Welt-Geschehen (‹Substanz›), die sich im Lichtkosmos offenbart.
Mit der Begriffslogik zuletzt finden wir uns im Bereich der dritten Hierarchie, die in unserem Denken, Fühlen und Wollen wirkt. Wir finden in der Begriffslogik nicht nur die bekannte Folge von Begriff, Urteil und Schluss, sondern die Kategorien des ‹Einzelnen› (die ‹Monade›) als höchster Spitze des Begriffs (der allgemeine Begriff des bestimmten, also noch verständlichen Nicht-Allgemeinen), weiter die Kategorien des Wahren und Guten und zuletzt die Kategorie des Denkenden als ‹geistiger Person›.Die Engel beschäftigen sich mit den Seelen, bemühen sich um die menschlichen Individualitäten, wie sie als ‹Einzelne›, als Gottesgedanken sind. Die Erzengel leuchten im Denken, im Erkennen und moralischen Urteilen. Das Denken ist zuletzt selbst ein gemeinsames Wesen, ‹das alles durchdringt›, das Höchste der dritten Hierarchie, der Archai. 11
Es sind dies nur einige Beispiele, wie der Zusammenhang von Begriffen und Geistesschau nicht nur den Unterschied von Philosophie und Anthroposophie zeigt, sondern auch die Entwicklung in die Anthroposophie die Frucht der Philosophie als Selbstbewusstsein in der Bewusstseinsseele mitnimmt und – mit Hegel gesprochen – ‹aufhebt› zur nächsten Stufe.
Man sieht, wie der große Rhythmus des reinen Denkens der Weltentwicklung entspricht, wie Rudolf Steiner sie in der ‹Geheimwissenschaft im Umriss› schildert. Denn der Seinsbereich entstand auf dem alten Saturn. Der Logik des Wesens, der Logik der Reflexion (d. h. bei Hegel des Scheinens im Anderen) entspricht am meisten die Entwicklung auf der alten Sonne, wo die Dualität von Innen und Außen, das Leben und das Licht entstanden. Die Logik des Begriffs, insoweit wir zuerst da auch die Vorstellungswelt angesprochen haben, entspricht dem alten Mond. In der Behandlung des Erkennens und moralischen Willens, zuletzt im Denken als Selbstbewusstsein, entspricht diesem Teil die Erden-Entwicklung. Die Logik mündet ja bei Hegel in das Selbstbewusstsein, in eine ‹Phänomenologie des Geistes› in der geschichtlichen Erdenwelt. Allerdings ist bei Hegel, nicht bei Steiner, dieses denkende Selbstbewusstsein nun auch der Endpunkt.
Rudolf Steiners Würdigung Hegels
Zuletzt der Vortrag Rudolf Steiners von 27. August 1920 erwähnt, als er des 150. Geburtstags Hegels gedachte (Das Ewige in der Hegel’schen Logik und ihr Gegenbild im Marxismus): Hegel hat dem Ahriman «entrissen» das Gute, das dieser hat, nämlich die Logik, das Klare im Denken. Was sie eigentlich sei und was man an dieser Logik erleben kann, so Rudolf Steiner, ist ein Ewiges, und kann eigentlich nur durch die Geisteswissenschaft richtig geschätzt werden. Die Hegel’sche Philosophie, seine ‹Phänomenologie des Geistes›, aber die ‹Wissenschaft der Logik› im Besondern, haben wohl noch eine Wirkungsgeschichte in der anthroposophischen Welt vor sich.
Footnotes
- GA 28, Kap. II.
- GA 28, Kapitel III
- Ebd.
- Ebd.
- GA 28, Berlin 25.10.1909.
- M. Kirn, Hegels Phänomenologie des Geistes unddie Sinneslehre Rudolf Steiners. Stuttgart 1989, S. 189–196.
- GA 4, Kap. IV, S. 58.
- Das Bilden von Begriffen und die Kategorienlehre Hegels, GA 108, Berlin 13.11.1908.
- GA 108, S. 247.
- GA 108. S. 249
- Rudolf Steiner zu Johannes Walter Stein, siehe ders., Von der intuitiven Erkenntnis (1924), in: W. J. Stein/Rudolf Steiner, Dokumentation eines wegweisendes Zusammenwirkens. Dornach 1985, S. 283 f.