Goethes Natur

Ende Juni hielt der Philosoph und Ästhetikforscher Gernot Böhme einen Vortrag am Goetheanum über Goethes Naturbegriff.


Gernot Böhme am Goetheanum am 27. Juni 2020. Foto: Raphael Schulze-Schilddorf

Mit der Goethegesellschaft Darmstadt war der frühere Freund von Jochen Bockemühl auf Einladung der Naturwissenschaftlichen Sektion ans Goetheanum gekommen. In dem Gedicht ‹Mondnacht› von Goethe, so begann er, sei von stillem Licht die Rede. Das nahm Böhme wörtlich und sagte, dass man das Licht nach Goethe also hören könne. Faust frage nach dem Begriff der Natur, müsse aber dann diese Frage nach deren Wesen aufgeben, denn die Natur, so Böhme, zeige sich nicht aus der Distanz. Bei Goethe gebe es deshalb keine Naturphilosophie, sondern Naturerfahrung. Dazu gehöre, dass man sich wie Faust selbst als Natur erfahren lerne. Es sei Erkenntnis durch Zugehörigkeit. Nach dem Vortrag gab es ein offenes Gespräch. Darin beschrieb Böhme die heutige Wissenschaft als brutal und betonte, dass die Ethik nicht erst mit der Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnis beginne, sondern bereits mit dem Erkennen selbst. 60 Prozent der physikalischen Forschung habe zu seiner Zeit der militärischen Forschung gedient. Zu diesem Wissenschaftsbild ist Böhme eine eindrucksvolle Antithese, denn in Wortwahl, Blick und innerer Ruhe strahlt dieser Wissenschaftler Güte aus. Das bestätigte sich noch einmal am nächsten Tag, als wir gemeinsam eine Führung durch das Goetheanum machten.

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