Nichts mehr,
Peter Härtling, Meine 75 Gedichte und zehn neue. Stuttgart 2008, S. 70.
was dich treibt,
nichts mehr,
was dich hält.
Auf den Hügel hinauf
und so lange
nach Innen singen,
bis die Stimme
dich aufhebt
und mitnimmt.
Teil des Moments zu sein, in dem die Stimme sich nach innen wendet und das Alltag sich erhebt – ein kostbarer Augenblick des Glücks.
Johanna Lamprecht
Phantastisch, gekonnt, genial, wie Peter Härtling in diesen wenigen Zeilen Leben auf den Punkt bringt. Ob der „Hügel“ Metapher ist für den Friedhof oder für das Leben mit seinen Mühen, der Weg des Lebens gelingt nach Härtling, wenn die Übung -„solange“- der Einkehr – Metapher:“nach Innen singen“ – als zum Äußeren komplementäre Bewegung stattfindet. Im „Aufheben“, verstärkt durch das „Mitnehmen“ wird das Gelingen zur Vollendung geführt. Diese besteht im Hochheben, im Auflösen und im Aufbewahren dessen, was alle Gegensätze in die Einheit hinein verbindet. Man ist an Hölderlin erinnert, der – ebenfalls Nürtinger – die ewige Seligkeit, um nicht zu sagen das Glück, beschreibt als das „selbstvergessene Einssein mit allem, was lebt“, als die „Wiederkehr ins All der Natur“. Man ist weiter an Rilke erinnert, der das „Umkreisen“ in der Übung des Lebens in den „großen Gesang“ einmünden lässt.
Aus der Meditationsarbeit heraus verstehe ich, wie für den „Dichter“ das Futur ins Präsens hineinfällt. Theologisch gesprochen wird die „Lehre von den letzten Dingen“, die Eschatologie, verstetigt. Sie wird zur Erfahrung im Hier und Jetzt, in der Leben und Tod, Gott und Welt, Diesseits und Jenseits ein und dasselbe, ein Selbstvergessenes, im Bild: ein „Gesang“, ein Einziges sind. Sprachlich geschickt bringt „der Dichter“ das Leben auf seinen Begriff: Es findet statt als das in ständiger Aufhebung Aufgehobensein, psychologisch gesprochen als „Flow“, philosophisch gesprochen als „Werden“. Phantastisch, gekonnt, genial!
Ein schreckliches Gedicht. Erst im Tod ist das Glück zu finden. Da bin ich anderer Meinung. Der Lohn der Mühe ist ein Gefühl des Glücks. Aus meiner Sicht erniedrigt Härtling das Leben zu einer reinen Mühe. wie schade!11