Es gibt eine ganze Reihe von Gesten, durch die sich ‹Denken› ausdrückt. Aber das Schreiben mit der ihm eigenen Gradlinigkeit und der ihm innewohnenden Dialektik zwischen den Wörtern geraunter Sprachen und der auszudrückenden Botschaft nimmt eine Sonderstellung unter allen Denkgesten ein. Es ist das ‹offizielle Denken› das Abendlandes, das sich in dieser Geste äußert. Die Geschichte beginnt strenggenommen mit dem Auftauchen der Geste des Schreibens, und das Abendland ist die Gesellschaft geworden, die durch Geschriebenes denkt.
Vilém Flusser, aus: Gesten. Versuch einer Phänomenologie. Frankfurt am Main 1994, S. 39.
Was bedeutet es für eine Gesellschaft, eine Kultur, wenn längst Künstliche Intelligenz das Schreiben übernommen hat? Inwiefern verändert dies unser Denken? Welche der Denkgesten sind für eine Künstliche Intelligenz nicht produzierbar? Johanna Lamprecht
Zeichnung von Philipp Tok