Seit über zwei Jahren gibt es in Athen eine gesangstherapeutische Ausbildung nach Werbeck-Svärdström. Steffen Hartmann berichtet von seiner Begegnung mit der Initiative.
Im alten Griechenland wurde einst die Philosophie geboren. Ihre neuzeitliche Schwester, die Anthroposophie, hat es allerdings in diesem Land bis heute schwer, Fuß zu fassen. So gibt es keine anthroposophische griechische Landesgesellschaft. Es bestehen jedoch biodynamische Oliven-Betriebe in verschiedenen Regionen, und die erste an der Waldorfpädagogik orientierte Schule wurde vor eineinhalb Jahren in Athen gegründet.
Theodoros Rigas – Sänger und Gesangstherapeut – hat zusammen mit dem bekannten Hamburger Arzt Jörn Klasen und dem Musiker und Komponisten Torben Maiwald diese Initiative ins Leben gerufen. Etwa 30 Menschen studieren dort berufsbegleitend. Mittlerweile wurde im Juni 2018 in Griechenland ein Verein zur Förderung der Gesangstherapie und anderer anthroposophischer Ausbildungen, Die Apokalypse der Stimme, gegründet.
Am ersten Adventssonntag 2018 hatte ich die Möglichkeit, in Athen zwei öffentliche Vorträge mit dem Thema: ‹Die menschliche Freiheit und das Ich-Bin› zu halten. Es war die erste Veranstaltung, mit der der Verein an die Öffentlichkeit getreten ist. Anknüpfend an die ‹Philosophie der Freiheit› von Rudolf Steiner wurde ein Gedankenweg zur Erkenntnis des menschlichen Ich entwickelt und ergänzend ein Blick darauf geworfen, wie das eigene Ich in den konkreten Schicksalsereignissen wirksam erlebt werden kann. Das warf Fragen nach dem Verhältnis von Schicksal und Freiheit auf, die intensiv bewegt wurden. Berührend war, wie unmittelbar das Publikum die Ausführungen miterlebte und die Vortragsdarstellung immer wieder zugunsten von Zwischenfragen ‹unterbrochen› werden musste. Dieser lebendige Austausch mit den Anwesenden, auf Deutsch und Griechisch zugleich – kongenial übersetzt von Anna Böhmig –, erinnerte ein wenig an die platonische Gesprächskultur.
Michalis Tsigotzidis, ehemaliger Waldorflehrer in Schweden und seit vielen Jahren in Athen für die Anthroposophie tätig, hat im Rahmen der Ausbildung zur Gesangstherapie in diesen Tagen eine interessante Vortrags- und Diskussionsreihe mit dem Titel ‹Die Rehabilitierung des Karma durch die Pädagogik› gehalten. Die gesangstherapeutische Ausbildung findet derzeit in einem Schauspielstudio statt, von dem aus man die Akropolis sehen kann.
Griechenland wird seit Jahren von einer Krise gebeutelt, umso wichtiger scheint es, dass vielfältige kulturelle und spirituelle Impulse zu den Menschen und in das Land kommen. Ein Anfang ist gemacht, der Unterstützung braucht. Neben dem Engagement der Dozenten und der Studierenden sind auch Spenden gefragt.
Im antiken Griechenland war Apollo der Gott des Heilens, aber auch der Musik und des Gesanges.
Foto: University of Alabama