Wer bei einer Geburt Zeuge sein darf, wird es erfahren: Eine Geburt kann man nicht verstehen, zu groß ist, was da geschieht, was aus einer andern Welt hereinbricht auf so leisen Füßen. Der Verstand prallt ab an dem Ereignis.
Um wie viel unmöglicher muss es demnach sein, wenn man versucht, die Geburt eines Gottes zu verstehen. Weihnachten kann man nicht verstehen. Deshalb feiern wir nicht Weihnachten mit Kindern, nein, es sind die Kinder, die Weihnachten mit uns Großen feiern. Sie nehmen uns an der Hand und öffnen mit ihren großen Herzen das Gefühl für dieses Fest. Deshalb geschieht das Fest in der Nacht, der tiefsten Nacht, zu der Stunde, die dem Tageslicht, der Ordnung und den Namen der Dinge gegenübersteht. «Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nie erjagen.» Das ruft Faust zu Wagner, als dieser beklagt, die Welt nur aus dem Fernglas zu sehen. Wagner, das ist der Wagenbauer, der ‹durch› die Welt fährt, anstatt ‹in› ihr zu gehen. Im Gefährt wird die Welt fremd, weil sich diese Welt zwischen mich und das Ziel, zu dem ich fahre, stellt. Wer fährt, ist im Geist schon am Ziel und will vom Weg nichts wissen, fühlt nicht das Jetzt.
Es ist das Fühlen, das die so entrückte Welt zur eigenen Welt macht. Die Welt fühlen zu können, lässt die Welt und all die Wesen und Dinge, die sie bevölkern, in der Seele auferstehen. Im Gefühl kommt die Welt in uns zur Geburt. Fühlen wird gebären – das lernen wir an Weihnachten. Faust weiter: «Wenn es nicht aus der Seele dringt / Und mit urkräftigem Behagen / Die Herzen aller Hörer zwingt.» Die so gefühlte und in der Seele geborene Welt gilt es zu sagen, gilt es in die Herzen der Hörenden zu legen. Da ist schon der Bogen bis Pfingsten geschlagen: die Welt erzählen.
Grafik: Fabian Roschka